Sydney
 
Sydney
Dienstag, 10. April 2007
Zweieinhalb Tage bleiben für die größte Stadt Australiens.
 
Montag, 9.4.
Von der Außenwelt bekommen wir wenig mit, nur von den pakistanischen oder tamilischen, auf jeden Fall moslemischen Nachbarn, die als Großfamilienclan die Nachbarvilla schon seit vorgestern mit Beschlag belegt haben und dort lachen und essen und beten und - wohl per Video - mit was auch immer indoktriniert werden. Als die Horde am Nachmittag ihre Gebetsteppiche einsammelt und sich auflöst, haben wir unsere bislang aufgelösten Habseligkeiten wieder beieinander: Für uns ist heute Putz- und Packtag, und das dauert seine Zeit.
 
Dienstag, 10.4.
„Nur“ noch etwa 60 Kilometer trennen uns von der Apollo-Dependance, der wir Herbi werden überantworten müssen, aber diese Filiale ist in Sydney, und was das bedeutet, merken wir nach den ersten ruhigen Kilometern stadteinwärts verschärft. Überall lauern mautpflichtige Straßen, was an sich nicht schlimm ist, sind wir doch bereit zu löhnen, aber nicht überall kann man das in bar, und da wir, anders als die armen aufs Auto angewiesenen Schweine hierzulande, keine Kennung haben, sind wir mehr als verunsichert darüber, wo wir lang dürfen und wo nicht. Aber irgendwie klappt auch das, wir brausen durch den Hafentunnel, folgen der Ausschilderung zum Flughafen, und schon sind wir da, wo es von Apollos und von deutschen Touris wimmelt. Schweren Herzens trennen wir uns von dem Braven, den wir als Teenager kennen gelernt haben und als Erwachsenen verlassen müssen: Der Tacho zeigt jetzt 29.300. Übrigens: Gemerkt hätte Apollo es weder heute noch morgen, wenn wir nicht aufgeschienen wären; wegen des Autotauschs bei der Übernahme in Perth sind wir in ein schwarzes Computerloch gefallen.
Ein Taxi bringt uns zum Hotel, das Ini ausgeguckt und Kay zum Schnäppchenpreis gebucht hat: The Sebel Pier One. Wir logieren  fast unter der Harbour Bridge, die wirklich so hässlich ist, wie man ihr immer attestiert, und gleich gegenüber ist das Opernhaus. Dazwischen wieselt der quirlige Hafenverkehr - kann es eine bessere Lage für ein Sydney-Hotel geben? Millionen von Touris sagen „Nein“, denn sie laufen alle hier rum.
Natürlich müssen wir nach dem Einchecken gleich mal die nähere Umgebung erkunden, wobei Kay in Anbetracht all der Fressläden hier am Wasser der Appetit überkommt, was Ini nicht unbedingt zuwider ist: Mit Scallops, Kingprawns und Austern lässt sich ein kleiner Mittagshunger edel bekämpfen. Anschließend wandeln wir über die Harbour Bridge und trinken danach erschöpft noch ein Bier in der Hotelbar, selbstverständlich am Pier One draußen in der Sonne.(Bilder) Danach muss Kay ganz schnell Entzugserscheinungen bekämpfen: Erst geht es virtuell ins Internet und dann physisch in die Badewanne.
Abends können wir uns gleich vor der Tür gar nicht entscheiden: Soll es „Imperial Peking“ sein, „Wolfis Grill“, der Italiener daneben oder eine von den anderen 100 gastlichen Stätten? Weil viel aus dem Meer auf der Karte steht, bekommt „Doyles“ den Zuschlag. Danach sind wir 200 Dollar ärmer und sehr angenehm gespeist und getränkt, Kay unter anderem mit dem zweiten Hummer - oder was man hier so nennt, Scheren sind den Tierchen immer noch nicht gewachsen - dieser Reise. Heimsekt krönt diesen Tag, und dann fallen wir sanft in den Schlaf - eine lautlose Klimaanlage und gut geschlossene Dreifachfenster machen‘s möglich.
 
Mittwoch, 11.4.
Wir lassen uns vom Hotelfrühstück verwöhnen und erstehen danach erst mal einen Daytripper. Das ist keine 24 Stunden dauernde Geschlechtskrankheit, sondern die australische Art, ein Tagesticket zu bezeichnen. Die Reichweite ist ganz  beeindruckend, was wir auch gleich austesten: Ein Rivercat bringt uns hoch nach Parramatta, immerhin etwa 30 Straßenkilometer vom CBD entfernt, auf dem sich windenden Fluss gewiss noch mehr. Der bei Sydney Harbour noch beeindruckende Strom wird schnell zum schmalen Fluss mit einer nur seichten Fahrrinne, in der die kiellose Fähre mir maximal sieben Knoten dahinkriecht. So dauert es eine Stunde, bis wir da sind, und dort drehen wir vorsichtshalber gleich wieder um: Parramatta macht Reklame mit ein paar alten Gebäuden, vor allem aber damit, nahe an Sydney zu sein.
Nach so viel passivem Transport können wir gut ein wenig selber laufen: Wir umrunden das Opernhaus und tummeln uns anschließend am Rand des Botanischen Gartens, immer am Wasser entlang und bemüht, uns nicht von den zahllosen uns überholenden und entgegenkommenden Joggern ummangeln zu lassen. So gelangen wir bis zur Domäne, heute wie auch früher ein Grünstreifen, der  es dem Gouverneur zu Beginn des 19. Jahrhunderts ermöglichte, Distanz zur Sträflingskolonie zu halten. Kurz dahinter ist St. James, eine mittelgroße, für hiesige Verhältnisse riesige alte Kirche, und gleich daneben eine S-Bahn-Station. Wir lassen uns zum Rathaus bringen, und von da aus sind es nur ein paar hundert Schritte bis Darling Harbour. Das ist die zweite große Spaß- und Freizeitzone der Stadt, mit vielen Kneipen, dem Casino, dem Abenteuerzoo und dem Aquarium. Uns zieht es natürlich zur Wasserwelt, die auch sehr schön ist, aber leider müssen wir uns das Vergnügen mit Millionen von vor Begeisterung quiekenden Kindern teilen, was uns auf den Geist geht und uns bald flüchten lässt.
Anschließend ist eine höchst komplizierte logistische Aufgabe zu lösen: Wo kann man in dieser Stadt etwas einkaufen, wohlgemerkt, etwas anderes als Didgeridoos und Bumerangs und dergleichen mehr? Wir entdecken die Lösung in North Sydney, gleich am anderen Ende der Brücke, und erstehen eine Flasche Wein - oder auch zwei.
Nach einer Hotelpause gilt es, den Tageshunger ruhig zu stellen. Zufällig sind wir schon vorhin über Sailors Thai gestolpert, eine Kneipe in der zweiten Reihe, die aber so gut sein soll, dass Thailand froh sein dürfte, selbst solche Köche zu haben, behauptet der Lonely Planet. In der Tat, wir sind sehr angetan: Raffiniert gewürzte Scallops, Prawns, kleingehackt, mit Nüssen und scharfem Ingwer auf Betelblättern angerichtet, Heilbutt in grünem Curry und Schweinebauch mit chinesischem Brokkoli lassen unsere Papillen aufblühen. Kay hat hinterher sogar noch Platz für Ananas- und Kokosnusseis.
Zu Hause lockt die Glotze: Der Breitband-Flachbildschirm enthält, was das Normalprogramm angeht, meist nur Mist, aber natürlich gibt es in einem Hotel wie dem Sebel Video-on-demand, auch und gerade die neuesten Filme, unter anderem „Casino Royale“. Wir sehen einen neuen James Bond, nicht nur einen neuen Schauspieler, sondern auch einen neuen Typus, einen, der verletzlich und verletzbar ist, einen, der leiden muss, einen, der gegenüber Frauen nicht den Macho markiert. Aber das, was einen guten Film ausmacht, fehlt: eine Story.
In diesen wunderschönen Tag sind nur zwei Wermutstropfen gefallen: Erst bekommt Kay, dann Ini auf der Fahre bzw. in der S-Bahn einen Sitzplatz angeboten. Sind die Aussis so höflich, oder sehen wir tatsächlich - schluchz! - schon so alt und wacklig aus?
 
Donnerstag, 12.4.
Da wir gestern recht lange auf waren, wird es heute ein bisschen später, bevor wir uns wieder auf die Füße machen. Wir wollen an einen der berühmten hiesigen Strände, Bondi oder Manly stehen zur Auswahl, und da nur Manly direkt mit der Fähre erreichbar ist, gewinnt es. Wir waren hier schon mal vor sieben Jahren, erinnern wir uns vage, als wir damals vergeblich versucht haben, der Agglomeration am ersten Tag zu entkommen, und in Manly gelandet sind, ausgerechnet, und uns gewundert haben, dass wir lange gebraucht haben, eine bezahlbare akzeptable Unterkunft zu finden. Heute sieht die Strandpromenade weniger fremd aus als damals; wir sind an einem gut frequentierten Meereszugang, wo viele Menschen sind, der Surf könnte besser sein.
Wir latschen lange am Strand entlang, erst nach Norden, dann nach Süden, so dass wir erst um zwei Uhr nachmittags wieder am Circular Quay anlanden. Die nächste Fähre zum Darling Harbour startet nur eine Viertelstunde später. Wir kommen nach ein paar Stops nach Pyrmont und werfen einen Blick auf das Maritime Museum gleich nebenan, aber das Wetter ist definitiv zu schön für einen Aufenthalt drinnen, und sei es auch im Inneren eines Schiffes, z. B. eines Seglers des 18. Jahrhunderts oder eines Kriegsschiffes aus dem zweiten Weltkrieg. Wir wandeln lieber draußen weiter, immer am Hafen lang, testen das Einkaufszentrum am Wegesrand ohne Erfolg, landen schließlich im chinesischen Garten, einem Geschenk der VR China an Australien zu dessen offiziellem 200. Geburtstag, den Kay scheußlich findet, was normal ist - Ini ging es schließlich mit ihrem ersten chinesischen Garten, also vergewaltigter Natur, nicht anders. Danach sind wir satt und putt. Zum Glück ist Central Station nicht weit, und die Bahn, die uns wieder am Circular Quay ablädt, kommt bald.
Zum Abendessen zieht es uns wie vorgestern wieder zu Doyles: Kay bekommt seinen zweiten Hummer, und wir beide bekommen heiteres Personenraten: Woher stammen die fünf Schlitzis am Nebentisch, die alles andere als weltläufig sind, zu viel saufen und rauchen - ih gitt! -, mit der Speisekarte nicht zurechtkommen, nicht wissen, was ein Hummer ist, und eine Sprache sprechen, die selbst den polyglotten Kellnern hier fremd ist? Wir kriegen es nicht raus, aber haben auch ihretwegen einen sehr vergnüglichen Abend und verabschieden uns auf dem Weg nach Hause schon mal von Opernhaus und Brücke.
 
Freitag, 13.4.
Wahrscheinlich hat der Lufthansamensch, der uns zu unseren Tickets verholfen hat, den Rückflug bewusst auf den heutigen Tag gelegt in der Annahme, dass an einem solchen Datum niemand fliegen mag. Aber weit gefehlt: Unser Jumbo ist zumindest in der Businessclass voll. Nach sehr frühem Aufstehen bringt uns ein Taxi ratzfatz zum Airport, und trotz des schlechten Rufes des hiesigen Flughafens heben wir fast pünktlich ab. Im oberen Stockwerk des Riesenvogels geht es uns blendend, und jetzt, kurz vor dem Lunch, kommt gleich der Champagner. Ist das ein Luxusleben!
Nach siebeneinhalb Stunden und einem bisweilen rütteligen Flug landen wir in Singapore, wo es die vorschriftsmäßigen 30°C hat und, fast ebenso vorschriftsmäßig, regnet. Obwohl Ini schlaff ist, erkunden wir noch tapfer die nähere und auch die weitere Umgebung des Hotels: Das Fukurama Riverfront liegt, wie der Name nahelegt, am Fluss, nicht ganz im prallen Leben von Clarke Street, wo ein Restaurant ans andere grenzt, aber in akzeptabler Fußgängerentfernung. Wir merken schnell, was die Tropen mit uns anstellen, auch die hiesigen feuchten: Sie machen Durst. Selbst in  dieser Stadt, in der es alles zu fast allen Zeiten gibt, ist es nicht leicht, vor fünf Uhr ein Bier zu ergattern, aber als uns das gelingt, trinken wir vorsichtshalber gleich zwei. Danach brauchen wir außer einer Dusche und einem Bett nicht mehr viel.