Afrika

Februar 2000 mit Bobbo und Lelo


12.2.2000 (Sonnabend)
Nachdem wir, wie Kay meinte feststellen zu müssen, schon elf Tage unseres kostbaren Sabbatjahres vergammelt haben, geht es heute endlich los auf die große Tour Nummer eins.
Es ist uns gelungen, bei L‘tur für einen Spottpreis zwei Flüge nach Windhoek mit Air Namibia zu buchen, incl. Zubringer nach Krankfurt für den stolzen Preis von 825 plus 20,-DM/P. Und siehe da, trotz der Dauerunfallserie der Bahn, trotz Iwanowskis (=Reiseführers) Unken - alles klappt fast wie am Schnürchen, ja sogar noch besser. Nicht nur, daß der ICE pünktlich ist, nicht nur, daß die kleine Air Namibia einen brandneuen Jumbo fliegen läßt, der nur mit einer knappen Stunde Verspätung abhebt - wir kriegen sogar die Notausgangplätze, an die wir diesmal überhaupt nicht geglaubt haben, und deshalb bringt Kay es während des langen Nachtfluges auf mehr als eine Mütze voll Schlaf.
Die kann er auch brauchen - schließlich gilt es die Erkenntnis zu verarbeiten, daß Afrika in gewisser Beziehung ist wie die USA, nur auf anderem Terrain. Sind dort die Häuser höher und die Autos größer, so hier die Insekten und Spinnen. Ahem - das, was wir in den ersten paar Minuten gesehen haben, ist bestimmt arg gewöhnungsbedürftig. Gewöhnungsbedürftig ist auch unser Truck, ein Isuzu KB 220, den Mr. Avis ausführlich erklärt - ist aber auch nötig! Jedenfalls ist das Ding zumindest hinten riesig - bei knappem Platz vorne - und wird uns erlauben, bei Bedarf im Auto zu pennen. Hier und jetzt - natürlich schreiben wir inzwischen längst den

13. 2. 2000 (Sonntag)

- steht uns aber nicht der Sinn danach, alles auszutesten, was das Teil kann, zumal die Fahrumstellung - it‘s the left hand side, asshole! - doch besser in ausgeschlafenem Zustand stattfindet. Also wählen wir die faulstmögliche Lösung, nämlich gleich die erste Gästefarm am Wegesrand, Ondekaremba. Unser eines von insgesamt sechs Zimmern ist sehr nett und groß und lädt erst mal zum Duschen, Biertrinken, Vögel, Schmetterlinge und Monsterhummeln beobachten und zum Studieren neuen Informationsmaterials ein. Danach folgt ein erster Erkundungsspaziergang in die afrikanische Wildnis, ganz kurz natürlich, damit uns die Sonne nicht die Glatze verbrennt – Kay hat die Mütze im Fliegezeug vergessen. Die Sonne geht, der Regen kommt, feucht sieht es aus‚ die Pflanzen sehen sehr pieksig aus, die Gräber auf dem am Wegesrand liegenden Friedhof sehr arm und recht jungsterbig; dafür sind Ausmaß und Zahl der Fliegen groß und zahlreich. Von diesen Impressionen müssen wir uns erst mal mit Hilfe eines Kurznickerchens erholen. Nach Kaffee und Kuchen in Gast- und Gastgeberrunde - this is a guestfarm - lassen wir uns auf einer Farmrundfahrt, geführt vom Chef persönlich, ein bißchen mehr vom Terrain zeigen. Ganz nebenbei lernen wir, wie sehr man sich ornithologisch über Vögel streiten kann, die schrecklich weit weg sind, sehen aber auch zu unserer überraschung viel Wild - Hartebeest schießt mengenmäßig den Vogel ab, aber es gibt auch Kudus, Oryx, Gnus, Strauße, einen Schakal und ein Warzenschwein, das allerdings unsichtbar bleiben möchte. Löffler, Reiher, Webervögel und ein weißer Minifalke zieren sich dagegen nicht sonderlich. In Hör- und Sichtweite des Internationalen Flughafens finden wir dieses Angebot schon durchaus beeindruckend. Herr Rust erzählt mit Leidenschaft von Tieren und den ökologischen Problemen seiner Farm - überweidung führt(e) zur Desertifikation und Erosion - und bringt sechs frierende Touris schließlich nach fast vier spannenden Stunden - angekündigt waren zwei - wieder zur Farm zurück. Dementsprechend ist es auch beinahe Zeit fürs Abendessen - Mutter Rust hat Ente gezüchtet, geschlachtet und gebraten und jetzt urdeutsch mit Rotkohl, Kartoffeln und Sauce auf den Tisch gebracht. Dabei entwickeln sich auch urdeutsche Gespräche, die die Überlegenheit der weißen Rasse als selbstverständlich voraussetzen, läßt sich das doch anhand ihrer Liebe zu Blumen und ihrer Fähigkeit, Speisen mit Gewürzen jenseits des Salzes zu verfeinern, zweifelsfrei belegen. Der Neger als solcher dagegen wirft alles Eßbare in einen Kochtopf, und ein ästhetischer Sinn ermangelt ihm. Das alles ist nicht böse gemeint, atmet aber doch den Mief der Fünfziger Jahre, in dem sich Gastgeber wie Gäste (minus zwei) wohlzufühlen scheinen. Wir erleben das alles mit Anstand mit Hilfe von einer Flasche Pinotage (Fleur du Cap) von 1995 und nehmen es ausnahmsweise mal nicht so ernst. Der Pinotage allerdings ist so ernst zu nehmen, daß wir glatt noch eine zweite Flasche fürs Zimmer ordern und nach deren Leerung in den wohlverdienten Schlaf gleiten.

14.2.2000 (Montag)
Sanfter Regen auf dem Blechdach weckt uns. Nach dem Frühstück packen wir und machen uns auf den Weg nach Windhoek. Die leere Straße, erst durch flache, dann durch hügelige Savanne, sieht nicht so aus, als näherten wir uns der Hauptstadt eines Landes; aber zehn Kilometer vor dem Zentrum wird es dann doch belebter und schließlich belebt. Immer brav auf den Hauptstraßen versuchen wir, uns einen Überblick zu verschaffen - in einem 150.000-Seelen-Kaff kann das doch nicht so schwer sein. Na ja - im ungewohnten Linksverkehr und mit einem schlechten Stadtplan aber auch nicht ganz einfach. Was machen wir zuerst? Einkaufen mit all den Valuables im Auto? Quartier suchen, dann mit leerem Auto shoppen? Wir entscheiden uns für die zweite Variante, aber auch eine Unterkunft muß man erst mal finden. Die Hotels, die wir entdecken, sind entweder häßlich oder teuer oder haben keinen ordentlichen Parkplatz für Herbi - oder alles auf einmal. Von den Pensionen, die Iwanowski empfiehlt, ist nichts zu sehen. Aber immerhin haben wir deren Telefonnummern. Ruf doch mal an... Den erfolglosen Versuch dazu unternimmt Ini. Münztelefone gibt es kaum, Telefonkarten lassen sich in den kleinen Geschäften, die sie feilbieten, nicht erwerben, wenn frau nur 200-$-Scheine im Portemonnaie hat, und der einzige Münzer, der endlich auffindbar ist, will seinen Dienst nicht tun. Also Fehlanzeige - und müssen müssen wir auch mal.
15 Kilometer nördlich von der Stadt gibt es die Gästefarm „Elisenheim“ - warum nicht beides miteinander verbinden und alle unsere Probleme auf einmal lösen? Leider hat die Farm am Fuß der blauen Berge kein Zimmer mehr frei, aber dafür einen netten Hausherrn, der uns telefonieren läßt - es gibt ein Zimmer in Windhoek - und den Weg zur Hotelpension Moni mit Hilfe eines guten (!) Plans beschreibt, den er uns sogar schenkt.
Moni hat ein nettes Zimmer und wird mit unseren Preziosen vollgerumpelt, und dann ziehen wir los zur Einkaufstour: Wasser x 5, Kekse, Nüsse, Trockenfrüchte, Sonnenmützen und -hüte, Adapter, Kühlkiste - puh, das war‘s fÜrs überleben; zum Genuß erwerben wir noch einen Sixpack, eine Flasche Tussi (= Sekt) und eine „deutsche“ Zeitung - schließlich ist heute Valentinstag!
Danach scheitert der Versuch, das Eisenbahnmuseum zu orten, immerhin aber dürfen wir einen Blick auf und in den süßen Kolonialbahnhof werfen.
Während all dieser Aktivitäten haben immer mehr der zahlreichen Straßenhändler ihren immer gleichen Kram - Holzschnizereien, Schmuck, kleine Oblekte aus leuchtend grünem Malachit und Drahtkunstobjekte - entweder eingepackt oder sorgfältig abgedeckt. Nicht umsonst - im Osten hat sich eine eindrucksvolle Gewitterwolke aufgebaut, deren Entladung droht. Während das Wetterchen loslegt und die Menschen von den offenen Gehwegen unter die Arkaden fegt, sitzen Kay und Ini gemütlich bei Schnecken und Quesadillas, T-Bone-Steak und Ribs im - we am to admit - Grand Canyon Steak House. Deutsches, so sagen wir uns, kriegen wir in diesem Land vermutlich noch genug. Da das Gewitter keine Anstalten macht aufzuhören, hoppeln wir gesättigt in strömendem Regen zu Herbi und lassen uns von ihm zu Moni bringen, wo wir all die üblichen wichtigen Dinge dingsen und vor allem die Sache mit der Planung versuchen: Wo, bitte, sollen wir angesichts des hiesigen merkwürdigen Wetters morgen zuerst hinfahren?
Windhoek übrigens ist eine sehr europäisch anmutende Stadt - natürlich aufgrund der offiziellen Sprachen, des Baustils, des internationalen und - zum Beispiel im Lebensmittelbereich - deutlich deutsch dominierten Angebots. Die dunkelhäutigen Menschen, die das Straßenbild prägen, dämpfen den Eindruck jedoch entschieden. Sie prägen das Straßenbild zum Teil auf eine erschreckende Weise - sie hängen rum. Von 70% Arbeitslosigkeit junger Farbiger haben wir gelesen - das scheint zu stimmen. Natürlich gibt es auch die Businessmen - selten - und die schönen modisch ausstaffierten Frauen - schon häufiger. Bei der Arbeit haben die schwarzen Beschäftigen in der Regel einen weißen Boss, jedenfalls läßt sich das im Handel beobachten. Obwohl überhaupt keine Aggression spürbar ist, keinerlei Aufdringlichkeit, ganz anders also als in Marokko, fühle ich mich in dieser Stadt, in der übrigens viel gelacht wird, unwohl. Ist es die Reaktion auf all die Warnungen vor der gewachsenen Kriminalität - an denen was dran sein muß; warum sonst all die Wachmänner, die geschützten Grundstücke, die Hinweise in den Läden, daß bei ihnen kein Bargeld zu holen ist? Oder was sonst?
Viellicht gibt uns die Glotze eine Antwort auf unsere Fragen. Die Nachrichten sind informativer als die omanischen, immerhin erfährt mensch etwas über die namibischen Vorbereitungen zur Expo, die der Tourismusminister leise nuschelnd von sich gibt.
Die anschließende Expertenrunde zum Thema „Macro- and Microeconomic Development“, die mit der Warnung angekündigt wird, hier könnten andere Meinungen als die der Regierung geäußert werden, besteht aus sechs Herren und keiner Dame, darunter nur zwei Schwarzen, die sich sehr einig darüber sind, daß angesichts des ständig ansteigenden Stimmenanteils der SWAPO die Situation immer besser wird. Sehr langweilig – allerdings fällt auf, daß die neue Staatssprache Englisch für die meisten namibischen Menschen doch eine Fremdsprache ist, die auch bei Experten z.T. sehr hart ausgesprochen wird. Die lingua franca ist offensichtlich immer noch Africaans.
Nun aber dodo – husch, husch ins Bett, vom Regen, der immer noch reichhaltig fällt, in den Schlaf gewiegt und nur selten durch andere Touris oder die Geräusche der Stadt geweckt.

15.2.2000 (Dienstag)
Noch immer sieht es sehr bewölkt und naß aus. Weil wir so schlau sind, haben wir das schon gestern abend antizipiert und unsere Pläne vollständig revidiert. Wir lassen den vermutlich feuchten Norden – Waterberg-Plateau und Etoscha-Pfanne - erst einmal links liegen und haben uns für die nächsten vier Tage - nach heftigem Kampf mit der von Modernisierung geprägten namibischen Fernsprechumstellung – in Büllsport eingebucht; am Rande der Namib und des Naukluft-Gebirges gelegen - ein Paradies für Wanderer, sagt der Führer. (Straßenkarte) Nachdem wir noch 10 Liter Sprit eingeworfen haben, machen wir uns auf den Weg nach Süden. Zuerst geht es 80 km auf der Haupt- und Staatsstraße 1 nach Rehoboth, der Hauptstadt des Basterlandes mit seinen Bewohnern, die als überzeugender Beleg für die Gültigkeit der Mendelschen Regeln auch im Bereich der Anthropologie angesehen werden. Danach geht es für 160 km auf eine sehr breite und gut augebaute Schotterstraße, die uns über Klein Aub – gehört einer holländischen Kupfermine – nach Büllsport führt. Die Landschaft längs des Weges wird immer „south-westerner“, nach zwei Stunden Fahrt sind wir in einem Vegetations – Bereich, der dem amerikanischen Südwesten sehr ähnelt, das Gras wird spärlicher, mehr und mehr trockene und sehr stachelige Büsche bedecken den überwiegend roten und rissigen Boden.
Endlich Büllsport - die Oase in der Wüste dank 70 m tiefem Brunnen. Oase in vielfacher Hinsicht. Neben fünf Gästezimmern – von denen wir, so scheint es, das Galazimmer mit Riesenbad, Schrankzimmer und anschließendem Salon erwischt haben – bietet Büllsport Sprit und Eis, einen Hofladen, der heftig an die dreißiger Jahre erinnert, und eine umfangreiche Tiermenagerie. Die von uns geliebten Katzen halten sich hochmütig auf Distanz, Moritz und Flecki entdecken dagegen sofort ihre Liebe für uns - wir wollten schon immer mal mit dem Kampfhund knutschen! Haubenkakadus gibt es in der Voliere, aber viel spannender sind die freilebenden Vögel, die hier von seltenen, wasserschlürfenden Bäumen attrahiert werden und unverdrossen direkt über unseren Köpfen ihre Nester bauen, während wir faul im Schatten einer riesigen Fächerpalme liegen und unser Belohnungsbier nach 250 Kilometern „wildem“ Namibia trinken.
Übrigens konsumieren: Auf Bier folgen Kaffee und Kuchen, und das viergängige Abendmenu, gekocht von „Elli“, ist impeccable. Zwar serviert sie keine ciusine selon le marché, aber wenn man bedenkt, daß es den Markt auch nicht gibt - Frau Sauber fährt alle fünf bis sechs Wochen nach Windhoek zum Einkaufen -, ist das Ergebnis sehr beachtlich.
Das Spannendste an diesem Abend ist natürlich nicht das gute, europäisch vertraute Essen, sondern die fremde Welt. Ernst Sauber nimmt uns mit auf eine zweistündige Farmrundfahrt - nicht eigentlich für Touris, die hätte er auch ohne uns gemacht. Schauen, was es gibt. Steht das Wild da, wo er es erwartet? Sprießt nach dem kargen Regen der letzten Zeit - aktuell 110 mm Niederschlag im Jahr, Tendenz abnehmend - ein wenig Grün? Wie geht es Hänsel und Gretel, den von den Saubers mit der Flasche aufgezogenen Bergzebras? Was machen die Pferde? Gibt es zu viele Schakale, brauchen die Schafe mal wieder ein Gifthalsband, damit die richtigen Räuber umgebracht werden? Und natürlich, wo immer er sie trifft, macht er Jagd auf die verhaßten Paviane, zumindest hetzt er sie mit dem Auto.
Beim Abendessen entspinnt sich dann noch ein ganz spannendes Gespräch über Namibia und seine touristische Zukunft. Inis europäische Bedenken treffen hier auf taube Ohren, aber das ist natürlich auch kein Wunder, und wir haben leicht reden. Und dann ist da noch die verwirrende Aussage von Herrn Sauber: „Die Geschichte zeigt, daß man niemendem helfen kann. Wer nicht von sich aus etwas will, hat keine Chance.“ Ziemlich viel Stoff zum Nachdenken, aber nicht mehr heute. Spät gehen wir ins Bett, und heute ist es Kay, der eine subjektiv schlaflose Nacht verbringt.

16. 2. 2000 (Mittwoch)
Trotzdem brauchen wir keinen Wecker - mit der Dämmerung und dem ausdauernden Krähen des Hofhahnes sind wir wach - pardon, ist Ini wach, Kay hat natürlich gar nicht geschlafen - siehe oben. Für uns gibt es heute extra-Frühstück schon um 7.00 Uhr, denn wir wollen die Gala-Hauswanderung machen, die durch die Köcherbaumschlucht. Dazu muß man zunächst mal ein 4x4-Auto besteigen - und dann beten, oder die Fahrt genießen, oder empört verlangen umzukehren oder sepukko begehen oder das tun, wozu man sonst noch so Lust hat. Wir entscheiden uns für den Genuß, während Isaak, der wortkarge - und wenig wortmächtige - Baster den hochgelegten Rover über eine zum Teil ziemlich gewagte Piste aus der Ebene zu einem Aussichtspunkt in 1750 Metern Höhe schaukelt. Wäre Isaak nicht da, wäre die Illusion perfekt: Nein, das ist nicht Namibia, ist überhaupt nicht Afrika, das ist Arizona, vielleicht auch Utah, oder New Mexico, da, wo es gebirgig ist. Isaak bringt uns noch einige Kilometer weiter zum Ausgangspunkt unserer Wanderung, wendet dann das Auto und verschwindet - und die Illusion ist perfekt. Vielleicht ist das auch gut so - wir fühlen uns zu Hause, nicht in einem gefährlich fremden Kontinent, in dem zum Beispiel die dämlichen Puffottern nicht wegkriechen, sondern beißen, und können genießen, was die Köcherbaumschlucht uns zu bieten hat.
Köcherbäume sehen aus wie Drachenbaumverwandte und sind es vermutlich auch. Als wir in die Schlucht einbiegen, erspähen wir die ersten. Ein weitgehend trockenes Flußbett bildet zunächst unseren Wanderweg. Je tiefer wir jedoch kommen, desto feuchter wird es, bis es schließlich wirklich naß ist. Aus feuchten Stellen werden Pfützen, aus Pfützen Tadpoles, aus Tadpoles richtige Wasserlöcher. Nicht nur die Kaulquappen, die im Wasser liegen und die Sonnenstrahlen genießen, sondern auch die zahlreichen Frösche, die bei unserer Annäherung abtauchen (übrigens eine Unverschämtheit!), zeigen: Wir sind in Tussis Paradies! Wir sind auch im Vogelparadies, und die Fliegetiere sind so nett, sich uns zu zeigen und sich hören zu lassen. Anders das Wild: Mit Ausnahme von ein paar Erd-was-auch-immern - vielleicht Hörnchen - zeigt es uns nicht sich selbst, sondern nur seine Fäkalien; die allerdings reichlich. Das Wasser macht auch unseren Weg zwischendurch ein bißchen problematisch, aber mit der bekannten 5-Punkt-Technik (zwei Hände, zwei Füße, ein Hintern) und der „Halb-zog-er-sie-halb-sank-sie-hin“-Aufstiegshilfe von Kay bewältigt auch die alte weiße Frau den Hike und landet wohlbehalten zur Mittagsrast am Rietloch, dem letzten Wasserloch. Hier soll gut baden sein, aber dazu ist es uns nicht warm genug - schließlich zeigt das Thermometer nur 29º C. Danach können wir unseren Schlenderschritt beschleunigen: Die Schlucht weitet sich und wird zum Tal, und unser Weg verläuft jetzt faul auf einer Fourwheeler-Spur. Nach drei Kilometern erreichen wir so eine Pad, und da wir aufs Abholen verzichtet haben, beiben uns noch zwei Kilometer Staubstraße bis zu einem Bier, einer Dusche und noch einem Bier. Und was gibt‘s gleich danach? Na klar - Kaffee und Kuchen!
Danach trinken wir noch entsetzlich viel Bier unter der Palme und noch entsetzlicher viel Bier beim Abendessen wegen Wanderungs-Nachdurst.
Das Essen ist wieder sehr lecker von der Substanz her – es gibt südafrikanischen falschen Hasen mit Reis, Piperade und Chutney nebst anderen leckeren Dingen – aber etwas anstrengend ob der Gesprächsstruktur: Fördert ein angedeutetes Kopftuch, der letzte Modegag, den islamischen Fundamentalismus? Ist jemand, der sich für Staub interessiert, ein Vorwerck-Vertreter? Bedeutet Wetterleuchten Regen? Wirken Malarialprophylaxe-Mittel so, daß Mücken nicht mehr stechen? u. s.w. Wir verlassen darob die Tischrunde bald und machen uns noch ein bißchen lesend in die Heia.

17.2.2000 (Donnerstag)
Nach dem Frühstück mit Farmers - alle anderen pennen noch, fanden die gestrige Konversaton also wohl anregend und haben lange durchgehalten - nun ja - machen wir uns auf zum nächsten Gang vor der Haustür. Der Eingang zum Namib-Naukluft-Park ist nur etwa zehn Kilometer von Büllsport entfernt, weitere elf Kilometer entfernt wartet die Rangerette auf das Entrichten des Eintrittsgeldes, und dann kann es losgehen. Wir nehmen heute die Waterkloof-Wanderung unter die Füße - einen 17 Kilometer langen Rundweg, von dem wir noch nicht wissen, ob wir ihn runden oder ein Stück weit Hin-und-rücken werden. Die gesamte Strecke dauert zwischen sechs und sieben Stunden, und unser Herr Sauber hat uns gewarnt - das sei sehr anstrengend.
Nun - anstrengend ist der Pfad eigentlich nicht. Nachdem wir unser Auto nach Kräften gegen die gefräßigen Paviane verrammelt haben, fuzzen wir zunächst im Trockenflußbett davon, immer den gelben Füßen nach, die an jeder kitzligen Stelle angebracht sind und uns vor dem Verirren bewahren. Wir schlagen uns durchs Schilf und turnen danach über Geröll und Slickrock weiter. Vieles, was am Wegesrand liegen soll, verpassen wir - wir finden keinen Quiver Tree (zumal wir erst später lernen werden, daß dies ein Köcherbaum ist), die Caves haben wir entweder nicht gesehen, oder es waren doch die kleinen Löcher in der roten Pancake-Formation gemeint, das Siedlerwebernest verpassen wir aber definitiv. Während wir das alles nicht sehen, haben wir zwei Treffen mit Pavianhorden, die einen fürchterlichen Lärm machen, aber trotz der Drohgebärden der alten Herren Rudelführer sich elegant in die Felsen und auf die Bäume absetzen; und ein Skorpion kommt Kays Bitte, uns den Weg freizugeben, freundlich nach. Währenddessen steigen wir aus grüner Vegetation zuerst mit und dann ohne Tal auf in Höhen über 1900 Meter, von wo aus es fantastische Ausblicke in die fernen Ebenen und die nähergelegenen Täler gibt. Hier trauen sich selbst die Kandelaberkakteen nicht mehr hin - im Winter dürfte es zu kalt sein, und vielleicht mögen sie den Wind auch nicht.
Der Wind begleitet uns auch heute den gesamten Tag lang als steife Brise, gegen die es sich manchmal anzulehnen lohnt. Er treibt Wolken heran, kleine helle Kumuli, große helle Kumuli, dunkle große Kumuli, sehr große dunkle Kumuli, sehr große schwere Regenwolken. Und der Regen erwischt uns voll beim Abstieg, der zwar steil, aber gut gebaut ist. Obwohl es glibschig wird, brechen wir uns keinen Fuß und schon gar kein Genick, sondern kommen nach sechseinhalb Stunden zwar naß, aber wohlbehalten und happy am Campingplatz, unserem Ausgangsort, an. Muß noch erwähnt werden, daß wir natürlich nicht umgedreht sind? Schließlich haben wir Abenteuerurlaub...
Nach dem Heimweg gilt es zu entdrecken und zu entspannen. Zwar sind wir beide der Meinung, daß der Trip nicht schrecklich anstrengend war, aber nach ein paar Schlückchen Sekt reicht irgend etwas doch für Kay, den Tunnelblick zu kriegen.
Kurz vor dem Abendbrot - heute mit Nudeln, Gulasch und Kochgurken – fängt es ernsthaft zu regnen an; dies wird die ganze Nacht so bleiben und insgesamt fast fünfzig l/m2 bringen, eine Regenmenge, die die Farmersfrau dazu veranlaßt, zum Frühstück eine Flasche Sekt zu spendieren. Die Gäste, die heute

Freitag, den 18.2.00
abreisen wollen, gucken allerdings eher unglücklich: Erstens mögen Touristen Regen eh nicht, und zweitens haben die nächtlichen Güsse die Straßen in ziemlich eklige Rutschbahnen verwandelt, auf denen wir auch keine 600 km nach Lüderitz zurücklegen wollten. Nun aber noch den Abschluß des gestrigen Abends: Nach dem Dinner ziehen wir uns noch in den Salon zurück und leeren im romantischen Regengeprassel noch eine Flasche Wein zu einer sehr schönen Zigarre.
Der Regen gibt uns auch die Chance zu einem sehr faulen Tag, wogegen auch Muckis und Knochen nach der gestrigen Kampfwanderung nichts einzuwenden haben – zumindest Kay geht es so, Ini behauptet, fit wie ein Turnschuh zu sein. So verbringen wir den Morgen nach einem sehr ausführlichen Früstück lesenderweise im Salon, machen dann eine kurze Spazierfahrt über nasse Straßen zur Povian (so der Farmer) – Beobachtung, schlafen eine Stunde fest zu Nachmittag, um dann Kaffee zu trinken, einen kurzen Hundespaziergang zu machen und auf der Terrasse zu lesen und Tagebuch zu schreiben. Unverhofft dürfen wir noch an einer Rettungsaktion teilnehmen: Die Riviere gleich neben dem Haus ist abgekommen, und zwei VW-Bullis stehen davor und trauen sich nicht weiter. Der Büllsport-Unimog wird aktiviert und bietet Abschleppen an, aber das scheint zu gefährlich. Mit Funk und Telefon wird der Nachbarfarmer mit dem Landrover geholt, und dann klappt das alles irgendwie, was für die Bullis einen Umweg von 60 Kilometern bedeutet, falls die Straßen da frei sind - falls!
Zu guter Letzt müssen wir uns noch über neu eingetroffene unsympathische Gäste ärgernonis. Der 70jährige selbsternannte Südafrikaexperte aus Thüringen weiß selbstverständlich um die mangelnde Zivilisationsfähigkeit des Negers, daran haben die Bemühungen der DDR um die Ossi-Ovambos zu Zeiten des Befreiungskampfes der Swapo auch nichts geändert. Und überhaupt sind die meisten Swapo-Mitglieder nicht im Kampf gegen Südafrika gefallen, sondern Opfer interner Intrigen geworden. Kay platzt schließlich der Kragen, da helfen Inis Fußtritte nur wenig. Aber die Art und Weise, wie die Afrikaner von den Weißen, insbesondere von manchen Touristen, als eine Mischung aus lästigem Insekt und mehr oder minder nützlichem Haustier betrachtet werden, ist auch wirklich schwer zu ertragen.

19.2.2000 (Sonnabend)
Wir verlassen Büllsport Richtung Sossousvlei - vorsichtig im Nordschlenk auf der C 14, die viele Brücken hat; so werden wir hoffentlich nicht vor einem wildgewordenen Wasserlauf verrecken. Das klappt auch wie gedacht, aber sonst ist ziemlich viel falsch: Die Naukluft-Berge verstecken ihre Köpfe in den Wolken, und auch als wir weiter nach Osten fahren, zeigt sich nicht der vielgerühmte blaue Himmel über der Namib, sondern eine graue Wolkendecke, aus der es ab und zu tatsächlich - regnet. Der Ranger in Sesriem will noch nicht mal Eintritt von uns haben - sehr verdächtig! Aber recht hat er mit seiner Vermutung: Wir kommen nicht weit. Der Tsauchab River ist abgegangen. Er wäre wohl passierbar, aber dort, von wo er kommt, steht eine eindrucksvolle dunkelgraue Wolke, und wenn die platzt, sitzen wir auf der anderen Seite fest. Also bleiben wir lieber diesseits und versuchen eine scheinbar nahe Sanddüne zu ersteigen. Aber erstens ist sie nicht nah, und zweitens hatten wir schon wieder vergessen, wie mühsam es ist, auf Dünen zu fuzzen. Wir begnügen uns folglich mit einem bißchen Düne und machen uns dann wieder vom Acker, Richtung Norden. Vor Walfish Bay ist Solitaire die letzte Chance unterzukommen - danach folgen gute 200 Kilometer gar nichts. Das ist uns zu weit, zumal Kay dicke Augen hat. Der Appetit auf die nächste Gästefarm ist ebenfalls gebremst - schon wieder Zwangs-Familienanschluß muß heute mal nicht sein. Außerdem hat es Kay beim Vorbeifahren auf dem Hinweg die Namib-Naukluft-Lodge angetan, die zwar sündhaft teuer, aber traumhaft schön gelegen ist. Platz für uns ist dort massenhaft, von 16 Zimmern sind zwei belegt, als wir um 14.00 Uhr eintrudeln. Wir gönnen uns statt hoher Sanddünen nach zwei Belohnungsbieren den Aufstieg auf den Elefantenschiß-Hausfelsen und gucken von da aus romantisch in die weite lautlose Wüste, bis es Zeit ist für den Nachmittagsschlaf. Kay hat irgendwie nen Affekt aufgeschnappt, also pennt er wie ein Baby seine dicken Augen weg und ist dann wieder fit für den sunset-farm-drive. Recht lieblos funktioniert dieser – es gibt kaum Tiere, dafür kann der Guide nichts, aber wir müssen am Sunset-Point 30 Minuten auf denselben warten, obwohl Tussi uns die Sonne heute vorenthält. Back to the logde gibt es ein leckeres, aber schnelles Abendessen in 4 + Gängen ( der Eiersalat rettet uns anfangs vor dem vorzeitigen Verhungern). Die letzte Flasche Wein in der Bar wird von einem satten, absolut stillen Schlaf begleitet.

Sonntag der 20.2.2000
Nach dem Spiegeleierfrühstück telefoniert die nette Dame des Hauses sich für uns durchs Land uns stellt fest, was wo wassermäßig geht und was nicht. Wir dürfen also nicht direkt nordwärts nach Solitaire fahren, weil dort eine abgegangene Riviere die Straße demoliert hat, sondern müssen über Ababis fahren, aber von dort an scheint die Straße frei zu sein. Mariental dagegen hat es in den tieferen Teilen erwischt, dort ist alles evakuiert, aber das kann uns letztlich egal sein. Also schlängeln wir uns auf Umwegen nordwärts, kreuzen den Gaub River und danach den Kuiseb auf abschüssigen, aber gut gepflegten Straßen, sehen dabei auch Familie Strauß;, bis wir dann auf der westwärts gerichteten Autobahn landen und dort mit dem Zähneklappern beginnen. Kein Wunder, daß Familie Sauber einen Horror davor hat, hier den Pferdetransporter langzuziehen! Wir haben in der topfebenen, leblosen Pfannenlandschaft Mühe, nicht einzuschlafen, und halten unser Gebiß mühsam beieinander. Kilometer um Kilometer zieht sich die zermarterte Straße geradeaus, und tatsächlich ist jede - übrigens sorgfältig angekündigte - Kurve ein Erlebnis.
Unmerklich senkt sich die Pad von 1000 Meter abwärts, und nach einer Unendlichkeit wird endlich Walfish Bay sichtbar - und bald auch riechbar. Die Stadt sieht ausgesprochen sauber amerikanisch-suburbisch aus, obwohl hier doch laut Reiseführer die „Schwarzen“ in erbarmungsloser Überzahl sind. Da es ziemlich stark nach Fisch stinkt, auch auf der vornehmen Esplanade, begeben wir uns in die deutsche Hauptstadt, nach Swakopmund. Der Weg dahin führt auf Asphalt zwischen warmem Meer – Kay schätzt 20° C– und weißen Dünen auf einer heftig frequentierten, von Ferienhaus-Resorts gesäumten Straße nach Norden. Über die mit 688 Metern längste Brücke Namibias geht es dann über den Swakop nach -mund. Wir schauen uns die Straßen des Städtchens erst einmal nach touristisch hotelorientierten Kriterien an. Die meisten Schuppen finden vor unseren Augen keine Gnade, da sie entweder zu deutsch oder zu ab aussehen. Letzteres – so erfahren wir später – liegt am hiesigen Mikroklima, das mit seinem morgendlichen Nebel Autos und Gebäude wirklich zu stressen vermag.
Wir steigen schlußendlich in einem sehr netten Schweizer Hotel ab (Sam‘s Giardino House) und begeben uns nach dem Einchecken erst einmal in den Ort, schon vom Hunger getrieben. Wir merken uns die künftigen Photomotive vor - ohne allerdings später irgendetwas zu fotografieren - und studieren die Restaurant-Karten. Schließlich steigen wir an der Waterfront in das Lighthouse ein und hapsen riesige Fischplatten mit all den leckeren Dingen, die der hier sehr tiefe und kalte Atlantik zu bieten hat. Trotz der zwei Flaschen Wein finden wir danach noch nach Hause, gustieren dort noch einen Abendtrunk und eine Zigarre, um dann ins Bett zu fallen und sehr tief zu schlafen.

Montag, den 21.2.2000
Das versprochene Schweizer Frühstück des Hauses ist wie die meisten ordentlichen Frühstücke dieses Urlaubs, allerdings angereichert mit Bircher Müsli und spannend gemacht durch etwa 30 verschiedene Marmeladen. Anschließend besorgen wir uns im Örtchen Permits für die hiesigen Parkstraßen, und Ini erwirbt ein paar Robbenlederschuhe.
Dadurch gestärkt und für alle Fährnisse ausgerüstet, sind wir fit für ganz alte Pflanzen - Welwitschia mirabilis, wir kommen! Aber bevor wir lebende Fossilien zu Gesicht bekommen, hat die geschickte Fremdenverkehrsplanung für andere Höhepunkte gesorgt. Zuerst dürfen wir die angeblich größten Flechtenteppiche der Welt bewundern - na ja, schließlich schwindeln alle: Der cryptobiotic soil in den USA ist auch einmalig und der größte, und ob nun Swakopmund oder weiland Leningrad das aggressivste Klima in Bezug auf Angriffe auf die Bausubstanz hat, bleibt auch dahingestellt. Wie auch immer - die hiesigen Flechten sind nett und zeigen uns, wenn sie benetzt werden, in welch rasantem Tempo sie sich vom scheinbar toten schwarzen Gekräusel in lebendige grüne Pflanzen verwandeln können. Tot dagegen bleibt die Mondlandschaft - Erosionscanyons, die der Swakop hier gegraben hat. Nur ummittelbar im trockenen Flußbett grünt es - der Fluß fließt/tröpfelt/sickert unterirdisch -, sonst ist alles von hellgelb bis schwarz, auf jeden Fall aber ziemlich tot.
Auch Welwitschia braucht Wasser und ist dementsprechend keine echte Wüstenpflanze. Das sieht man allerdings nicht; irgendwo scheint sie eine Wasserader versteckt zu haben, oder vielleicht lebt sie auch tatsächlich nur vom Morgennebel, der die Wüstenfeuchtigkeit bringt. Die unordentliche Pflanze - wenn man nur zwei Blätter hat, dann sorgt man doch dafür, daß die nicht reißen, nicht wahr! - ist entweder männlich mit vielleicht zwei Zentimeter langen schlanken Fruchtschwänzen oder weiblich mit paarigen hochgereckten Eiern in Pflaumengröße. Aber immerhin - selbst unordentlichen Pflanzen ist Respekt geschuldet, wenn sie 1500 Jahre alt sind. So picknicken wir ehrfurchtsvoll am Ende der Strecke und fahren dann wieder zurück im Nordschlenk, vorbei am Rössing-Gebirge, dessen wirtschaftliche Bedeutung uns jetzt noch nicht klar ist.
Entsprechende Aufklärung verschafft uns erst das Swakopmund Museum mit seiner für ein Provinzmuseum, dessen Ausstellungsstücke zufällig zusammengekommen sind, typischen Mischung: Maschinen, alte Photos und Karten, typische Environments von Tier und Mensch, Dioramen und Modelle, Mineralien, ethnische Artefakte. Aber daneben gibt es auch noch ganz viel Rössing-Mine: Wir bauen Uranerz ab und bereiten es auf, und wie lange wir das noch tun werden, hängt von der Nachfrage auf dem Weltmarkt ab.
So viel Bildung macht durstig, aber den mit Bier zu stillen, ist in einem Städtchen mit deutscher Kaffee-und Kuchen-Kultur gar nicht so leicht. Kurz vor der eigenen Haustür finden wir endlich die Kramer Kneipe, in der alle verrenteten Paare der Gegend ebenso wie wir ihren Sundowner zu nehmen scheinen. Nach einer schnellen Dusche zu Hause beginnt dann der Kampfmarsch gegen den Hunger. In der Moltkestraße stolpern wir über das Frontier, das afrikanische Spezialitäten offeriert - und in der Tat lassen Strauß-Carpaggio und gegrillte Oryx, Kudu und Zebra in dieser Hinsicht wenig Wünsche offen - und lecker ist das ganze auch noch. Höchste Zeit, verdauend nach Hause zu spazieren und dort noch späte Schweizer Gastlichkeit zu genießen - die Weinvorräte des Hauses sind exzellent!

22.2.2000 (Dienstag)
Bobbo dient sich heute als Fremdenführer an und verhilft uns zu einem wirklichen Galatag. Zuerst fahren wir durch langweilige platte Wüste nach Cape Cross, wo Bartholomeo Diaz 5800 Jahre nach der Erschaffung der Welt inmitten von zahllosen Robben dringend meinte, ein Christenkreuz errichten zu müssen. Das Kreuz im Original ist seit langem in Berlin, die Robben sind noch da - olfaktorisch, akustisch und optisch mehr als präsent. Tausende von Tieren drängen sich an Land, wandern irgendwohin, giften einander an, sonnen sich, kratzen sich, schubbern sich am Fels; alt und jung bunt durcheinander. Wie viele Tiere sich im Meer tummeln, weiß allein Tussi - das Wasser wimmelt von ihnen. Eine ganz schöne Eiweiß-Vertilgungs-Maschine, wenn man sich vorstellt, daß jede Robbe am Tag fünf Fische frißt!
Apropos Fische - nach einer Stunde überwältigenden Robbenguckens fahren wir zurück nach Swakop ins Aquarium und lassen Haie, Rochen und vielerlei Fisch malerisch um uns rumschwimmen. Schön gemacht!
Das ist aber längst nicht alles - Bobbo hat noch mehr Tiere in der Banane! In Walvis Bay beobachten wir viel weniger Pelikane, dafür aber viel mehr Flamingos als erwartet. Da das dauernde Gerattere der LKWs von der Salzfabrik die Tiere nicht mehr zu stören scheint, lassen sie sich erfreulicherweise auch von neugierigen Touristen nicht aus der Ruhe bringen und sind gar nicht scheu. Bobbo, das war super und einige Daiquiries wert!
Das Abendbrot bereitet uns eine Partialüberraschung. Wir sind wieder ins Lighthouse gegangen, wo vorgestern die Fischplatte so toll war. Die Austern heute vermögen auch ohne Einschränkung zu überzeugen, und Inis Cordon Bleue ist ein solches. Dies kann man von Kays Hummer nicht sagen, der kommt als Pilzragout daher. Wohl das erste Mal in unserem kulinarischen Leben lassen wir etwas zurückgehen und erhalten als Zweitversuch das 700g Steak des Hauses für das halbe Geld. Dies ist sehr lecker.
Danach arbeiten wir noch eine Schnapsidee für morgen aus. Wir wollen wenigstens einmal campen, und die Spitzkoppe scheint sich als Abenteuer der gemäßigten Art dafür anzubieten.

Mittwoch, der 23.2.2000
Nach dem üblichen Morgenprozedere gehen wir shoppen und kaufen Sprit, 20 kg Feuerholz, Anzünder, Bier, Würstchen, Obst und Eis für die Kühlkiste.
Swakopmund hat heute sein typisches Morgenwetter. Die Morgennebelwolke ist so dick, daß es aus ihr regnet, und es ist ergo feucht-kühl. Wir flüchten auf der B 2 nach Nord-Osten, und ziemlich genau 45 km von der Küste entfernt endet mit einem scharfen Rand die Wolkendecke, und ein strahlend blauer Himmel wärmt uns auf. Nach 100 km verlassen wir die Teerstraße und brauchen dann noch etwa 1,5 Stunden auf Gravel-Pads, um die Spitzkoppe, die uns schon von Ferne wie eine Reklame von Schneekoppe angelacht hat, zu erreichen. An dem „Berg-Eingang“ erwartet uns ein Schild der Konrad-Adenauer-Stiftung, die uns darauf aufmerksam macht, daß sie hier ein Projekt für Frauenselbständigkeit unterstützt. Dorf-Damen haben ein unheimlich schönes Restcamp aufgemacht – sogar mit Bierverkauf und Wüstendusche.
Die Spitzkoppenregion erinnert an das Red-Dirt-Land in Utah: Die Savanne wird unterbrochen von rotem Slickrock in allen möglichen Emanationen, vom Elefanenschiß bis zur Eiger-Nordwand. Wir fahren auf der Suche nach einem Camping-Platz über zwei Stunden und 50 km über, um, durch die Blöcke; ja, zeitweise verirren wir uns gar. Alle Plätze sind schön, wir entscheiden uns für einen, machen eine weitere Spazierfahrt, essen dann Lunch und harren nach einer kleinen Siesta der aufregenden afrikanischen Nacht im Auto, mit Klappspaten und Gehstock bewaffnet. Nun, vor die Nacht hat das Campingritual das Lagerfeuer gesetzt, wie man weiß, auch unabdingbar zum Vertreiben wilder Tiere. Wir brauchen nur ungefähr drei Viertel unserer Zündhilfen und den Beistand einer kräftigen Brise, dann ist es geschafft - null Problemo! An der heißen Glut portionieren wir unser drittes und letztes Bier in kleine Schlucke und wissen nicht so recht, wen oder was wir mehr bewundern sollen: den klaren, unbekannten Sternenhimmel oder unser flackerndes Feuerchen. Als wir uns dann in Herbi zur Ruhe betten - nein, angesichts der zahlreichen hier rumliegenden Monsterködel möchten wir lieber doch nicht im Freien schlafen -, kommen wider Erwarten nicht Hartmanns Zebra oder Kudu oder Oryx, sondern - viel schlimmer - das Schnarchmonster. Auch mit den bösesten Beschimpfungen läßt es sich nicht vertreiben - schade! Denn, das weiß doch jeder: Wilde Tiere fürchten sich vor dem Schnarchmonster und wagen sich nicht in seine Nähe!

24.2.2000 (Donnerstag)
Auch in der Morgendämmerung vögelt es nur ohne Großtiere. Nach exzessiver Badbenutzung (mit 2,5 l Wasser kann man zu zweit wirklich wichtige Teile einer Abend- und Morgenwäsche erledigen) und ausschweifendem Frühstück (Bananen, Birnen und O-Saft) verlassen wir unser lauschiges Plätzchen und kringeln uns auf vierstelligen Straßen nordostwärts. Die Gegend verändert sich jetzt sehr schnell; die Bevölkerung wird schwärzer, auch die zum Teil recht elend aussehenden Farmen, die wir passieren, gehören anscheinend „echten“ Afrikanern. Es wird verblüffend schnell grün, das Gras entspricht mitteleuropäischen Kriterien, und die Bäume verdienen es, als solche bezeichnet zu werden. Ist es das große Holzangebot, das die Termiten hier übermütig hohe Hügel bauen läßt? Mit der Vegetation verändert sich die Luft, es wird feucht und schwül, und ein paar Kilometer weiter kommt ein Monsterschauer runter.
In Omaruru, einer ziemlich bunten deutsch-afrikanischen Kleinstadt, kaufen wir noch ein bißchen ein und machen uns dann auf der C 33 (auf Asphalt!) nach Norden. Weit wollen wir nicht kommen, hier drängelt sich eine Gästefarm neben der anderen und macht Reklame mit ihren Tieren. Auf besonderen Wunsch eines kleinen Plüschleoparden quartieren wir uns in der Epako Game Lodge ein („Das könnt Ihr Euch leisten, schließlich habt Ihr gestern ganz billig gelebt!“), wo wir ein sehr großzügiges Zimmer nebst Riesenbad und Terrasse beziehen und auf besonderen Wunsch einer älteren Dame („Schließlich gab es kein ordentliches Frühstück!“) vor der dringenden Grundsäuberung einen netten Lunch einnehmen.
Danach darf gefault werden, in der Hoffnung, daß uns kein Regen die abendliche Pirschfahrt vermiesen wird. Während die Nachmittagswolken allmählich dunkler werden, dabei aber immer noch freundlich aussehen, beobachten wir ausgiebig einen großen Leguan, der direkt vor unserer Terasse auf dem Nachmittagskaffeetrip ist, während wir auf dem Biertrip sind. Irgendwann aber flüchten wir doch nach drinnen - ein Gewitterschauer vertreibt uns.
Netterweise dauert das feuchte Lokalereignis keine knappe halbe Stunde an, so daß wir um 17.00 Uhr guter Hoffnung und mit beiden Kameras bewaffnet bei Fuß stehen - und ein schwarzer Herr namens Jackson ebenfalls. Zuerst bringt er uns zu den Cheetas - eine Frau, ein Mann und fünf cubs leben - wohl in der nicht enttäuschten Hoffnung auf die tägliche Fütterung - friedlich zusammen. Nicht so recht überzeugend, aber nett anzuschauen. Leider werden die lieben Tierchen - die Kleinen sind wirklich noch scheinbar süße Kätzchen - in unserer Gegenwart nicht gefüttert; vermutlich will man den zart besaiteten Touristen den Anblick brutaler Fleischfresser ersparen.
Danach geht es weiter zu meist friedlicheren Zeitgenossen. Wir treffen Kudus, Oryx, büffelähnliche Monstergnus (Hartebesst), Springbok, Strauße, Zebras, einen charmanten Schakal und zu unserem geheimen Entsetzen sogar vier Nashörner - zum Glück breitmaulige -, die sich sogar aus der Nähe bestaunen lassen.
Während des dreistündigen Trips wird das Wetter immer interessanter; nur misogyne Naturen würden formulieren: Es wird schlechter. Wir sind von Gewitternestern umgeben, und ab und zu erwischt uns eins. Deshalb ist es irgendwann mit dem Filmen auch für Kay vorbei, wg. mangelnden Lichts hat Ini schon vorher aufgegeben. In der letzten halben Stunde der Fahrt wird uns jedoch klar, was erwischen tatsächlich heißt: Schwere Tropfen, im Fahrtwind hart wie Hagel, klatschen dicht an dicht auf uns und auf Jackson im Müllsack-Regenmantel herab (aber der hat wenigstens eine Heizung). Ohne einen trockenen Faden am Leib kommen wir schnatternd zu Hause an, überschwemmen notgedrungen erst mal die ganze Wohnung und genießen dann, wieder trockengelegt, ein hervorragendes, deutlich französisch vom Herrn des Hauses beeinflußtes Diner - mit fromage und crème brulée als Abschluß. Darauf folgt eine nette, schlafreiche Nacht; die Pieksis werden qua Fensterschluß ausgesperrt, während eine sehr diskrete Klimaanlage die Temperatur auf 25° hält und unsere Klamotten trocknet.

Freitag, den 25.2.2000
Wir werden von Piep vorschriftsmäßig geweckt und sehen dann, daß wir im dicken Nebel stehen. London in Afrika. Das Frühstück ist wieder sehr nett anfranzösisiert, und dann geht es en route. Wir haben schon gestern, noch vor dem Nebel, aber mitten im Gewittersturm, beschlossen, nicht direkt nach Etoscha zu fahren, sondern uns nordwestlich zu orientieren, um der Heftigkeit der Sommerregen zu entgehen. Bis Kalkveld geht es auf der Teerstraße schnell voran, dann trauen wir uns auf eine dünne Pad nach Nord-Westen, die zuerst auch durchaus naß ist und deren Riviere auch ein wenig Wasser führen. Schlimm ist aber das alles nicht. Je weiter wir nach Nord-Westen kommen, desto trockner wird es. Die sattgrüne Savanne wird zur Trocken-Savanne, in der das Gras spärlicher und die Büsche etwas dünner werden. Links und rechts der Pad liegen schicke Farmen mit überwiegend deutschen Namen. Aber noch immer ist es 10mal grüner als z.B. in Büllsport. Um halb eins erreichen wir Vingerklipp, ein wunderschönes Hotel: Die Zentral–Gebaüde sind im offenen Bali–Holz-Reet-Stil, die Zimmer verteilen sich auf 10 kleine, gut voneinander getrennte Reetdach-Häuschen, deren Fenster nicht nur fliegenverdrahtet sind, es gibt sogar ein Moskito-Netz über dem Kingsize-Bett. Werden wir es heute Nacht austesten? Ein jedes Zimmer hat einen wunderschönen Blick auf das Huab-Tal, eine Landschaft, die Sedona am Oak-Creek-Canyon zum Verwechseln ähnlich ist, mit Tafelbergen, Spires und einem weiten Blick. Wir starten, da wir doch so früh sind, gleich zu einer „Fahrt um den Block“, also etwa 150 km. Auf guter Pad und Teer-Rennbahn geht es nach Khorixas, der ehemaligen Hauptstadt des Damara-Bantustans. Vorbei geht es an Termiten-Burgen und Berg-Hügeln, bis wir Khorixas erreichen, eine „schwarze“, volle Stadt (1000 Einwohner), die sehr, sehr arm aussieht. Die Straße ist voll mit Damara-Jugendlichen, die aus der Schule kommen, es gibt mehrere Bottle-Stores, eine Tanke, einen seifenvollen Supermarkt. Die schwarzen Menschen sind zu uns sehr freundlich, einer fragt aber auch nach, ob wir Namibier sind, und wird erst freundlich, als wir uns als Ausländer outen. Politisch ist die Stadt auch - sowohl die SWAPO als auch die DTA unterhaltem Büros und machen Reklame. Ini kauft noch eine wunderschön gearbeitete Nuß, und dann machen wir uns um den Berg herum auf den Rückweg. Hier sehen wir die arme Rückseite der Khorixas-Region. Die Farmen sind klein und stehen irgendwie zwischen edler Wellblech–Schlichtheit und reiner Trostlosigkeit. Die Flächen sind erkennbar überweidet.
Nun erwischt uns auch hier – nach dem Verdampfen des Morgen-Nebels haben wir erkannt: hier regnete es nicht, hier wird es nie regnen – ein heftiges Gewitter, so daß wir noch eine viertel Stunde vor dem Hotel im Auto sitzen, bevor wir halbwegs trocken auf unser Zimmer kommen. Aber der Wassersturm geht schnell vorbei.

26.2.2000 (Samstag)
Das Frühstück ist, wie zu erwarten, ordentlich, und wir sind, wie gewohnt, ordentlich früh. Was also tun mit dem langen Tag? Ini schlägt eine Kurzwanderung vor (übrigens die einzige, die hier vor der Haustür angeboten wird): eine halbe Stunde lang zur Fingerklippe in der Morgenkühle. Die Sache mit der Morgenkühle können wir um 9.00 Uhr schon vergessen. Es ist brütend heiß, und die afrikanischen Fliegen kennen auch zu dieser frühen Stunde keine europäische Normaldistanz: Sie setzen sich einfach auf die Lippen, in die Nasenlöcher, in die Augen. Außer uns sind nur Insekten und Vögel unterwegs, auch nächtliche Spuren anderer Lebewesen sind niucht existent, soweit wir das erkennen können. Gemächlich nähern wir uns der Fingerklippe, einem vielleicht 50 Meter hohen Sandsteinfelsen auf schmalem Sockel, der in den nächsten 1000 oder 100000 Jahren bestimmt umkippen wird. Jetzt aber bietet er dem tapferen Wanderer Schatten und vor allem etlichen Vögeln ein Zuhause - unvermutet flattert uns ein Gelbschnabeltukan vor die Augen, der hier im Fels wohnt und an dessen Fuß eben mal verhält, um eine gerade gefangene leckere Libelle zu verzehren.
Denselben Weg wieder zurück - das erschöpft das, was unsere Lodge offiziell als Pfade anzubieten hat. Wollen wir uns offroad, offpath auf den Weg machen, müssen wir fette Schuhe anziehen; und dazu hat Ini keine Lust und beschließt deshalb ex cathedra Autoausflug. Kay fügt sich nolens volens (i.e.: grumpfend) und fährt uns nach Westen. Khorixas fliegt schnell vorbei, danach beginnt eine Sandpad, die einen Narren an einem Waschbrett gefressen hat. Obwohl die Straße mit ihrem ständigen Hin und Her und Rauf und Runter viel Aufmerksamkeit erfordert, ist doch unübersehbar, wie schnell sich Vegetation, also Niederschlagszonen, von Ost nach West hier ändern. Es braucht nur wenige Kilometer von der Feuchtsavanne bis in die Wüste, also von den weißen Farmern bis zu den Damara. Wer stellt hier eigentlich die Straßenschilder auf? Angeblich ist es von Khorixas bis Twyfelfontain noch 99 Kilomter weit, aber als wir endlich gut durchgerüttelt da sind, zeigt unser Tacho deutlich mehr. Immerhin versöhnen uns die Gravuren und Zeichnungen der Buschmänner dort mit dem doofen verbrannten Berg gleich nebenan - diese sogenannte first-class-attraction attrahiert uns gar nicht. Die zweifelhafte Quelle darf nur mit Hilfe eines Damaraführers erkundet werden - eine eigentlich überflüssige, aber angesichts hoher Arbeitslosigkeit durchaus sinnvolle Maßnahme. Allerdings machen es die Damara dem wohlwollenden Europäer nicht leicht - permanent haben wir das Gefühl, sanft, aber bestimmt abgezockt zu werden - kein Wechselgeld hier, stattdessen deutliche Nachfrage nach einem Tip dort.
Also Twyfelfontain: Malereien und Ritzzeichnungen auf/ in Fels, typische Materialien, typische Motive (Tiere als Natursymbole oder Jagdgegenstände, daneben Symbolisches (Punkt und konzentrischer Kreis als Wasserstelle); Fußdarstellungen: wir sind hier gewesen. Ein ordentlich englisch sprechender Mensch zeigt uns sehr engagiert die wichtigsten Stellen.
Insgesamt verbringen wir eine gute Stunde auf dem Schauweg und sehen tatsächlich sehr viele Gravuren und auch Zeichnungen. Welches sind übrigens die exotischten dargestellten Tiere? Robben – wohl von Cape Cross – und (!!!) Pinguine (Bobbo hat immer standhaft behauptet, daß es Pinguine in Afrika gibt, aber dies wollte ihm so recht keiner glauben). Für den Rückweg dürfen wir noch einen reitenden Büroboten ohne Pferd mitnehmen, der die vollen Besucherlisten von Twyfelfontain in die Stadt bringen soll. Auf dem etwas weniger ruckeligen Rückweg – Kay fährt schneller, so daß das Waschbrett besser überflogen wird – legen wir noch einen Zwischenstop in Petrified Forest ein – süß, aber nicht ganz mit Arizona zu vergleichen. Ein schicker junger Mann, der heute angeblich auch noch Geburtstag hat, führt uns und verkauft uns danach auch noch einige wunderschöne Halsketten-Nüsse. In Khorixas tanken wir noch viel Sprit und Bier – so werden die letzten 80 km recht beschwingt. Danach folgt ein sehr smakeliges Abendbrot mit Oryx-Roastbeef und Springbok-Leber – lekker, lekker, das mit ganz viel Wein und Zigarre abgeschlossen wird.
Spät geht es dann ins Bett, aus dem uns der Wecker am

Sonntag, dem 27.2.2000
nur mühsam aufwecken kann.
Heute wollen wir in den wilden, wilden Westen zur Palmwag-Lodge, die kein Telefon hat und daher nicht vorbestellt werden kann. Wir fahren über Fransfontain nach Norden Richtung Kamenjab und biegen 14 km vor dem Ort auf eine kleine Pad ab, die uns Richtung Palmwag schicken soll. Da jemand hier entweder die Pad-Schilder klaut oder erst gar keine aufstellt, wird der Weg zum kleinen Abenteuer. Aber mit Karte und Odometer findet Ini todsicher den richtigen Weg, der aufgrund seiner Versandung Herby schon etwas heftiger fordert. Die Gegend wird allmählich höher, einsamer und wilder. Auf dem Grootberg-Pass (1540 m) genießen wir dann den Blick ins das wilde trockene Redrock-Land mit Tafelbergen und vielen, vielen Steinen. Gegen halb zwei sind wir am Ort, und siehe da, die Bungalows sind tatsächlich ausgebucht - wohl von zwei Safari-Gruppen, die aus eher unsympathisch aussehenden Potbelly-Deutschen und sehr safarimäßig aussehenden Südafrikanern bestehen. Was nun? Die Camping-Plätze sehen sehr gut aus, die Klos und Duschen sind sauber, so stürzen wir uns in die zweite Camping-Nacht, buchen aber für morgen eine Hütte. Wir beziehen unser Emplacement, lesen ehrfürchtig das Schild, das darauf hinweist, daß die wilden Elefanten im Camp unterwegs sind, essen einen Meyer-Toast (ham wa nich) in der Pool-Bar, buchen uns für die morgendliche Gamefahrt ein und machen einen netten, fast zwei Stunden langen Spaziergang um und über den roten Hausberg. Dabei stoßen wir recht regelmäßig auf Elefanten-Hinterlassenschaften, drei Springböcke und den kleinen Hauswufffi, der uns auf dem ganzen Weg begleitet und anschließend auch auf unserem Camp seine Siesta macht. Nach der Wanderung, die durchaus anstrengt, sind Schönheitspflege und Tagebuch angesagt, und nun wollen wir versuchen, ob wir etwas zum Abendbrot erhalten, da doch das Restaurant nur für Bungalowistas erlaubt ist. Der Mensch zweiter Klasse, i.e. der Camper, ist auf das Poolrestaurant zurückgeworfen, das immerhin verlockende Dinge wie Rump- oder Sirloinsteak anbietet. Wir ordern Sirloin, vorsichtshalber medium, und erhalten nach einiger Zeit ein Ding, das in jedem Sizzler samt seiner Garnitur von Fritten kommentarlos zurückgegangen wäre. Hier aber bleibt es - wir haben Hunger, und Alternativen fehlen. Wuffi jedoch freut sich - all das, was uns nun tatsächlich nicht mehr genießbar erscheint, verschlingt er mit Vergnügen. Wir trösten uns mit Bier und Zigarre und wandeln dann in unser Exklusivhotel Isuzu. Kaum liegen wir in der Heia, springt der Hauskater durch das offene Fenster Ini beinahe auf den Kopf (will sagen, auf die heruntergeklappte Ladeklappe), aber das ist alles, was sich wildtiermäßig in dieser Nacht tut - da nutzt auch der Galablick ins Flußbett nichts.

Montag, 28.2.2000
Das Frühstück übertrifft das Abendessen qualitativ deutlich (50%iger Orangensaft, Oreos und sonnengebackene Cornys), quantitativ ist es etwa die gleiche Preislage - gut für die Spreckrollen! Wir schließen das Hotel Isuzu, bevor wir zur morgendlichen Gamewatching-Tour aufbrechen - hinterher gibt‘s Bungalow. Schon die erste halbe Stunde zeigt, welch Riesenreichtum an Springböcken hier vorhanden ist - überall um uns herum hüpft es, mal zum Wegrennen, mal zum Gucken. Dazu kommt schon Bekanntes wie Oryx, Strauß und Zebra. Neu für uns sind die Giraffen, leider nicht ganz am Wegesrand, aber anders als die Zebras nah genug, um sich deutlich beobachten zu lassen. Weil irgend ein armer Springbock nicht mehr konnte oder gerissen wurde, treffen wir schließlich auch die Aasfresserfamilie: Herrn Geier, Herrn Schakal und Frau Hyäne. Letztere hat gar keine Angst vor uns, sondern kommt immer näher und scheint uns schon als die nächsten Mahlzeiten abzutaxieren. Nur einen treffen wir nicht, obwohl seine Heuballen-Scheiße und seine tellergroßen Fußtritte überall sichtbar sind: den Elefanten.
Ottifant hat uns gelinkt: Dickarschig steht er direkt vor unserer Haustür im Flußbett und frißt Schilf, als wir wieder nach Hause kommen. Wir gucken seinen Zeitlupenbewegungen - nur die Ohren sind schneller - lange Zeit gemütlich zu und gönnen uns dann ebenfalls Happschapp: Die Poolbaar serviert als bisherigen kulinarischen Höhepunkt einen Hamburger. Anschließend besichtigen wir unser Strohdachhäuschen - alles da - und machen uns gleich wieder weg zu einem stinking hot desert walk in the midst of a stinking hot and stormy desert day. Auch praktisch vor der Haustür beginnt der River Walk, ein liebevoll ausgearbeiteter Pfad, der viele Blicke in zwei Flußtäler ermöglicht, immer auf der Suche nach dem Elefanten, aber jetzt läßt Freund Dickarsch sich nicht mehr blicken. Gut durstig und dreckig kommen wir wieder heim und bekommen Feuchtigkeit für innen und außen.
Am Abend entdecken wir dann die Annehmlichkeiten des First-Class-Lebens auf Palmwag: In der Bar gibt es Bier vom Faß, und das à la carte - Restaurant ist zwar nicht allererste Sahne, aber verglichen mit den Kochkünsten des netten Schwarzen in der Poolbar ein Gourmetparadies. Außerdem gibt es hier mal wieder schönen kalten weißen Wein und zur Krönung des Ganzen gemeinsam unsere letzte Zigarre.

Dienstag, 29. 2. 2000
Das Resto kann auch Frühstück; und nach Fruchtsalat-Joghurt, Spiegeleiern mit Speck und dazu Marmeladentoast, das alles hinuntergespült von viel Kaffee, reisen wir ab und tasten uns ostwärts nach Kamenjab, diesmal auf der nördlicheren der beiden Parallelpads, die sich als deutlich gepflegter und dementsprechend schneller erweist als unser Sträßchen auf dem Hinweg. Nach 120 Kilometern erreichen wir eine Straßenkreuzung, die eine 24 Stunden lang geöffnete Tankstelle, einen impeccablen Supermarkt und eine Dépendence der Namibia Telecom anbietet, von wo aus Kay ohne Probleme unseren Rückflug bestätigt; ein richtiger Ort bleibt unsichtbar. Wir müssen allerdings zugeben, daß wir uns nicht sonderlich sorgfältig umsehen, sondern bald weiter nach Osten hoppeln. Tatsächlich hoppeln, denn wir nehmen nicht den weiten Asphaltweg über Outjo, sondern ersparen uns 60 Kilometer auf Pads. Die Arizonawüste mit ihren giftigen Monstereuphorbien ist längst vergessen, Buschland, gar Wald oder Wiese säumen unseren Weg. Auch Gästefarmen und Gamelodges locken, je mehr wir uns Etoscha nähern, und je näher wir kommen, desto gepflegter werden die Preise. Nun, wie die letzten beiden Wochen gezeigt haben, haben wir nichts gegen gepflegte Preise, aber wir haben was gegen Unverschämtheiten. 200 DM/pP für B&B ist dann doch etwas happig! Außerdem ist es sowieso reizvoller, direkt im Park zu wohnen; unsere Sorge ist nur, daß wir dort kein Quartier bekommen.
Weit gefehlt! Sankt Bürokratius erfreut sich hier zwar sehr guter Gesundheit, und deshalb dauert das Einchecken seine Zeit, aber danach haben wir für zwei Nächte und einen raisonablen Preis einen ordentlichen Bungalow in Okaukuejo. Nach kurzem Einkauf machen wir uns gleich wieder auf zu einem Loop „um den Block“ - ein Rundkurs im Westen, etwa 60 Kilometer lang. Fast erschlägt uns das Ganze - wir sehen Tiere! ( Überblick über einige in der Etoscha-Pfanne vorkommende Tiere) Übrigens ausnahmslos Tiere, die wir schon kennen: Springbok, Kudu, Oryx, Strauß, Giraffe und Zebra. Aber: Die Viecher hier haben keine Angst! Die Springböcke und die sonst ach so scheuen Zebras muß man mit sanfter Gewalt von der Straße drängen, und daß es überhaupt so viele Tiere geben kann wie hier, das geht gar nicht, die sind sicher zum größten Teil aus Plastik mit eingebauter Bewegungsmechanik! Und das sind nur die offiziellen Großteile - daneben wuseln Suricate durch die Gegend, hüpfen Geier, krachozyten Gackeltrappen, posieren Steppenfalken...
Mit dicken Augen nicht nur vom Wind kommen wir heim und erleben nach der Dusche die nächste angenehme Überraschung des Tages: Es gibt Zapfbier, und man kann hier sehr gut kochen, und da wenig los ist, macht das Essen am üppigen Selbstbedienungsbuffet großen Spaß. Dann allerdings wird es unangenehm: Die afrikanischen Mücken haben offenbar noch kein Internet, sonst hätten sie von ihren europäischen Kolleginnen erfahren, daß Ini viel besser schmeckt als Kay. Da sie das also nicht wissen, zerfleischen sie beim menschlichen Starren auf das unbeleuchtete und tierisch unbelebte Wasserloch des Camps den Mann anstelle der Frau, der darob schnell flüchtet.

Mittwoch, 1.3.2000
Alle anderen Campbewohner haben dieselbe Idee wie wir: Anstatt auszuschlafen und/oder genüßlich zu frühstücken, fahren sie, sobald die Tore um 6.45 Uhr geöffnet werden, raus. Ist aber auch irre, was man da in der allmählich schwindenden Dämmerung zu sehen bekommt - nur Tussi allein kann alle diese Tiere gezählt und wie im Serengeti-Film malerisch gemischt haben. Und nur Tussi kennt das Geheimnis, wohin alle Viecher verschwinden, nachdem die Sonne höher gestiegen ist und die Hitze gebracht hat. Nur vereinzelt grast noch hier und da ein Springbok, steht ein einsames Zebra paßgenau im mageren Schatten, liegt eine Herde Wildebeest unter einer Schirmakazie. Lediglich die Strauße scheinen sich aus der Wärme nichts zu machen. Und noch jemand entfaltet zur heißen Zeit höchste Aktivität - Schwarzstörche. In einer fast ausgetrockneten Pfanne stehen nach unserer Schätzung 4000 bis 5000 Tiere geduldig und dicht gedrängt friedlich beieinander, und es werden immer mehr - in Wolken, die den Himmel verdunkeln, fallen sie zu Hunderten ein, so daß die Straße, auf der wir gekommen sind, bei unserem Rückweg eine halbe Stunde später schon ein Storchenmeer ist, durch das wir uns einen Weg bahnen müssen. Was macht der Schwarzstorch am 1. März zu Tausenden in Etoscha?
In der Mittagszeit fahren wir zur Siesta nach Hause.
Danach beginnt unser zweiter Pirschausflug. Nach Anfangsschwierigkeiten – wo ist der Weg? – erleben wir wieder eine wunderschöne Fahrt, bei der wir die mittlerweile bekannten Tiere in neuer Kombination sehen – Zebras, Oryx, Strauß, Springböcke und Gackeltrappe vereint – und auch neue entdecken: die Riesentrappe, die wunderschöne Kuhantilope und einen sehr schönen mittelgroßen Raubvogel irgendwo zwischen Habicht und Bussard in bunt. Nach über drei Stunden wieder zu Hause angekommen, essen wir gleich nach dem Erfrischungsbier und starten erst danach den Entstinkungsmodus (war aber auch nötig, sagt Lelo).
Danach beginnt das gemütliche Abendleben, heute wohl ohne Mosquitos. Ini hat noch Elan genug, zum ersten Mal seit mehr als zwei Wochen etwas anderes zu lesen als den Reiseführer, aber Kay ist gut groggy und pennt irgendwann erschöpft weg.

Donnerstag, 2. 3. 2000
Bobbo und Lelo schenken KAY zum GEBURTSTAG ein gaaanz tolles Afrika-Teeshirt mit zwei Adlern, und Ini schenkt Kay nur ein Sabbatjahr. Trotzdem sind alle heiter und starten nach dem Frühstück nach Osten. Auf dem Highway Richtung Halali/Namotoni ist richtig viel los, weil alle Touris zur gleichen Zeit aufgebrochen sind; und zur frühen Stunde ist auch viel los in Sachen Tier. Uns ist aber zu viel los - wir nehmen die erste Seitenstraßen-Gelegenheit wahr und begeben uns erst auf dem Rhino- und dann auf dem Eland-Trail weiter. Tja - und da ist dann gar nichts mehr los. Das ist natürlich ein unfairer Vorwurf - es vögelt gar gewaltig allüberall, ein Warzenschwein posiert für uns und gibt darüber hinaus eine exklusive Schlammwälzvorstellung, Kudus und Kuhantilopen naschen am satten Grün. Aber genau das satte Grün ist das Problem - es gibt einfach zu viel davon! Wir sind im Baum-, Busch-, Gras- und Blumenland, wir sind in einer reinen Augenweide, aber wir sind auch lange Zeit im perfekten Versteck für alles Wild. Das ändert sich allerdings schlagartig, als wir uns Namutoni nähern. Der Busch weicht allmählich dem Grasland, und sofort sind alle Freunde wieder da, vom Springbock über das wilde Biest bis zum Zebra, aber auch die bisher so etepeteten Giraffen kommen nahe genug für ein Portrait. Und das um ein Uhr mittags - hier scheint es wirklich Tiere satt zu geben!
Wir erstehen ein Zimmer im alten Fort und machen dann bei 37° C erst einen Großeinkauf und dann fast einen Spaziergang, incl. Besichtigung des Fortmuseums, wo wir feststellen, daß die die Ovambos sich bei ihrem Angriff 1904 bescheuert angestellt haben. Der Blick vom Turm ins platte Land macht Durst, und so ist Zeit für ein Bier, kurz vor halb vier.
Der Nachmittags- bzw. Abendgamedrive beginnt mit gekonnt posierenden Giraffen vor der Haustür (alle mit Zucker gefüttert, vermutet Kay) und schönen Blicken über die hier mit flachem Wasser gefüllte, von Wild gesäumte Pfanne des Fischers. Familie Warzenschwein zeigt uns zudem zuerst einen zünftigen Männerkampf und dann friedliches Fressen von Mama und den Frischlingen. Dann aber wird es langweilig - auf dem Weg nach Norden landen wir auf einer schnurgeraden, von hohem Gebüsch gesäumten Straße - aus ist‘s mit dem Blick aufs Großgetier. Plötzlich aber haben wir beinahe mehr Großgetier, als unsere zarten europäischen Nerven ertragen können - der Elefant ist los! Wir sind an einem tieferen Tümpel gelandet, der für eine halbe Stunde lang Bar und Swimmingpool der Dickhäuter der Gegend ist - zumindest der ungefähr 40, die wir zu sehen bekommen. In Sippe oder Großfamilie rücken sie an, ein kräftiges Tier vorweg, ein noch mächtigeres als Nachhut, und die Kleinen und vor allem den Mini unerreichbar in der Mitte der Gruppe. Vorsichtig wird der Weg zurückgelegt, auch am Teich sichern die Alten, aber letztlich gönnen sich alle ein nasses Vergnügen. Schwer zu schätzen, wo denn die Toleranzentfernung bei afrikanischen Elefanten mit Nachwuchs zu suchen ist - wir gehen lieber auf Nummer Sicher und nehmen Reißaus, wenn einer der Bullen mit dem Kopf zu wackeln beginnt.
Damit haben wir für heute genug Geburtstagsgeschenke gehabt (Danke, Lelo, für die Elefanten; Danke, Murkel, für die mit dem Auto parallel fliegenden weißen Reiher!). Wir fahren heim zum Duschen und Essen - auch hier ist es sehr lecker, aber den Camps im Park ist die „Kette“ anzumerken; überall gelten nicht nur gleiche Standards, sondern auch gleiche Inhalte. Die Fleische des Abends sind Beef, Lamb and Pork, Period. Aber das ist kein Grund, das Essen nicht zu genießen und uns nicht zum wiederholten Mal darüber zu freuen, daß wir dieses Land nicht in Gruppe bereisen.

Freitag, 3.3.2000
Um zwanzig nach sechs piept der Wecker. Zum Frühstück gibt es ein paar Oreos und einen Trinkjoghurt, und püntklich zum Sonnenaufgang verlassen wir Namutoni für unseren letzten Gamedrive rund um die Fischer-Pan. Viele, viele Vögel – neu ein Haubenkranich – , vier Schakale, die wir unfreiwillig über eine schmale Landzunge hetzen, und viele Giraffen im Dik-Dik-Drive bilden den Abschluß von Etoscha. Ganz, ganz toll war es, aber mittlerweile tut uns der Hintern vom vielen Sitzen doch ein wenig weh, und dies wird sich heute noch verstärken, da wir uns einen Auto-Langmarsch vorgenommen haben, um die letzten zwei Nächte am Stück auf Düsternbrook in der Nähe Windhoeks verbringen zu können. So brausen wir im Sauseschritt – endlich mal wieder asphaltrasen auf der B1 – durch die Baumsavanne, die sich über 400 km kaum in ihrer Art verändert. Über Tsumeb und Otavi, die „Industriestädte“ des Nordens, fahren wir nach Otjivarongo, daselbst Ini Geld in die örtlichen Kunstahandwerker investieren will, die hier, auf dem größten Kunstgewerbemarkt des Landes, ihre Produkte feilbieten. Aber „die“ Maske ist nicht dabei und das Verkaufsverhalten der Ladner eher unprofessionell, so daß wir kein Geld loswerden. Nach 30 km Asphalt – insgesamt waren es heute fast 500 – folgen noch 20 km richtiges Afrika, wie Bobbo feststellt: Holperpad, Umwege über echte Feldwege mit Steineinlage und Schlängelkurven um die vielen Hügel bringen uns unserem heutigen Ziel – Lelos Wunsch – entgegen. Daselbst angekommen werden wie freundlich empfangen, beziehen unser schönes Zimmer, wenn auch nicht das versprochene mit Galaausblick, und stürzen uns schon eine halbe Stunde später in den Gamedrive, eine wahrhaft hoterdipolterische Fahrt über Stock und Stein. Wir sehen hier die Tiere wieder, die wir auch in Etoscha gesehen haben, nur sind sie hier scheuer, und die Landschaft ist eine andere. Ganz überraschend neu ist allerdings die Spezies der handtellergroßen gestreiften Monsterspinnen, die pro Exemplar mindestens zwei Quadratneter Netz gewebt und sich danach in dessen Mitte postiert hat. Da es viele Spinnenexemplare gibt, ist der Raum zwischen Bäumen und Büschen zum Teil lückenlos ausgefüllt - eine industriemäßige Insektenvernichtungsmaschine.
Danach ist es Zeit für die Dusche und ein Bier auf der wunderschönen Terrasse mit Flußblick. Das Abendessen gibt es in kleinem Kreise zu Dritt mit dem Farmer, der viel über deutsche Polititk wissen will - nun ja, die „Allgemeine“ ist eben doch eine recht dünne Quelle -, wir erfahren im Austausch noch einiges über Namibia. Nach zwei Stunden Plaudern und zwei Flaschen Wein darf ins Bett gegangen werden.

Sonnabend, 4.3.2000
Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, aber im Schatten auf der Terrasse ist es beim Frühstück noch richtig schnatterkalt. Der erste scheue Blick auf die Hausleoparden zeigt uns viel Grün und etliche Knochen, aber keine Katzen. Unser Hauptanliegen jetzt ist aber auch, uns endlich mal wieder nach drei Tagen Gefangenschaft im Auto bewegen zu dürfen. Das Haus bietet drei unterschiedlich lange Gänge an, und wir machen irgendwie ein Mixtum aus ihnen. Überwiegend Wagenspuren folgend, aber auch mal auf schmalen Pfaden und wegen unserer Exotik mitunter auch ohne Weg und Steg finden wir den Weg zum farmeigenen Reservoir und durch das Flußtal wieder zurück. Die afrikanische Buschsteppe ist hier malerisch auf Hügel drapiert und deshalb abwechslungsreich. Schnell kommen wir nicht voran, denn immer wider hemmen die Bauten der hiesigen Monsterspinnen - siehe gestern - unseren Weg; und der Pfad muß erst sorgfältig mit der Machete - i. e. dem Teleskopstock - freigeschlagen werden. Die letzten paar hundert Meter durch die Riviere bringen uns kühle nasse Füße und unsere tapfere Begleiterin Ginger, die Großhündin der Farm, der CSE (= dem Hundewahnsinn) nahe. Immer wieder legt sie sich ins flache Wasser, wartet, daß wir nahe kommen, und springt dann um Haaresbreite an uns hoch und vorbei. Nach knapp drei Stunden kommen wir bierreif wieder zu Hause an und entdrecken uns erst mal vor einer gemütlichen Siesta.
Danach brechen wir zusammen mit vier frisch eingeflogenen Schweizern unter der Obhut von Elias auf zu den wilden Tieren. Die Begegnung mit Cheetas und Lelos hat sich klein Ini eher getrennt durch einen sicheren Zaun vorgestellt, aber mitnichten - wir fahren mitten hinein ins pralle Leben. Station 1: Unser Aussichtswagen hält auf einer Hügelkuppe an. Wir warten. Nach wenigen Minuten tauchen vier Geparden nacheinander aus dem Nichts auf. Elias steigt in aller Seelenruhe aus dem Auto und füttert die wilden Bestien („Na, na, na!“ „Schon gut, Lelo!“) also die lieben Tiere brockenweise. Die sind schlau -solange sie merken, daß noch Futter da ist, fordern sie, auch durchaus mit aggressiver Attitüde, aber als der für sie vorgesehene Vorrat erschöpft ist, ziehen sie sich majestätisch zum Ruhen ins hohe Gras zurück und werden dort ganz schnell unsichtbar. Verblüffend, daß sie nicht versuchen, den Fleischberg, der inzwischen vorne auf der Kühlerhaube deponiert worden ist, zu ergattern - als ob sie wüßten, daß der für jemand anderen bestimmt ist.
Station 2: ein anderes Gehege. Elias befestigt hoch oben an einem relativ waagerecht vom Baum ragenden starken Ast einen großen Fleischknochen und postiert das Auto dann in recht respektvoller Entfernung davon. Diesmal dauert das Warten länger. Aber dann taucht er auf, mit langsamen Bewegungen, ein muskelbepacktes Kraftpaket, jeder Zoll ein König seines Reviers - Hadrian, Leopard, zwölf Jahre alt. Er scheint uns keines Blickes zu würdigen, schreitet zum Fuß des Baumes, setzt noch nicht mal zum Sprung an, aber ist mit zwei fließenden Bewegungen blitzschnell bei seinem Futter und beginnt zu fressen, daß die Knochen knacken. Als er beschlossen hat, daß der Rest nur noch für die Vögel und die Ameisen taugt, gleitet er vom Baum und futtert dann Stück für Stück die Filetstücke, die Elias ihm zuwirft. Die Information: “letztes Stück“ scheint er zu verstehen, trotzdem faucht er uns in Drohhaltung an und muß mit lautem Aufheulen des Motors auf Distanz gehalten werden. Schließlich erhebt er sich hochnäsig und verschwindet im Unterholz, ohne sich noch einmal umzusehen oder gar „Danke“ zu sagen. Das war ein wahrhaft krönender Tierabschluß des Urlaubs, und Lelo hat sich seinen Cocktail ebenfalls redlich verdient - er hat uns allerdings noch nicht verraten, was er präferiert.
Abends gibt es nach deutschen Rinderrouladen einen prachtvollen südlichen Sternenhimmel mit Erläuterungen des Hausherrn, und danach starten wir in die letzte Namibianacht, wie immer voller wilder afrikanischer Träume.

Sonntag, 5.3.2000
Nach der Umpackorgie zum Heimreisezweck sitzt schon eine schwarze Madam mit neuem Bettzeug etc. vor unserer Tür, und so flüchten wir trotz der Einladung, den Tag noch auf Düsternbrook zu verbringen, recht früh. Sitzfleisch haben wir sowieso nicht mehr; trotz Sabbatjahr-Gelassenheit stellt sich ein bißchen Reisefieber ein. Schluchz, und dann bestehen wir noch nicht einmal die einzig ernsthafte 4x4-Herausforderung dieser Tour! Wir wollen uns trauen, durchs die Riviere zu fahren, aber das Wasser ist recht tief und zum Ausgleich das gegenüberliegende Ufer recht hoch - prompt bleiben wir stecken, der Auspuff blubbert unter Wasser, und Herbi verreckt. Netterweise springt er aber wieder an, und wir müssen uns nicht beschämt vom Unimog retten lassen. Danach fahren wir vorsichtshalber nur noch auf zivilisierten Straßen. Kay spendiert, nachdem wir das Windkoeker Eisenbahnmuseum zum zweiten Mal nicht gefunden haben, eine ausführliche hügelige Stadtrundfahrt, und danach hauen wir einen Teil unserer noch vorhandenen namibischen Dollar im noblen, aber preislich trotzdem angenehm remoten Restaurant Gathemann auf der Independence Avenue auf den Kopf, will sagen auf das Straußensteak und das Kuduschnitzel - lecker!
So recht fällt uns nichts mehr ein, was wir in der sonntagstoten kleinen Stinkestadt und ihrer Umgebung am Nachmittag anfangen könnten. Also brumseln wir zum Flughafen und werden Herbi nach ungefähr 5000 Kilometern los, nachdem er zum Schluß noch 90 Liter Sprit schlürfen durfte. Es folgt ein zwar langes, aber angenehmes Warten erst auf das Einchecken und dann auf den Abflug, nämlich ohne Krach, draußen auf der Bank bei angenehmer Wärme. Übrigens fallen schon wieder einige Tropfen - wir scheinen dem Regen zum wiederholten Mal von der Schippe zu springen. Welwitschia startet mit ein wenig Verspätung - etliche Militärmaschinen, die von Ambulanzen erwartet werden, haben Vorrang. Kämpfe im Caprivi? Wir machen zuerst ein langes Gesicht beim Boarden, entdecken aber bald, daß die Mittelviererreihe, in der wir gelandet sind, nur für uns da ist. So können wir uns breit machen und kommen ausgeschlafen und heiter in Frankfurt am Ende eines ganz tollen Urlaubs an.


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