Kalbarri - Mount Gambier
 
Ab jetzt schreiben wir für Irina extra etwas größer!
Dienstag, 3.10.
Da wir heute keine Kilometer fressen wollen, lassen wir uns am Morgen Zeit und können Nachbars zugucken, wie sie sich auf den Tag vorbereiten: Die glückliche Mutter von vier Kindern neben uns versucht vergeblich, ihre Angelschnur zu entwirren, und der unglückliche Vater hinter uns (er hat nur einen Sohn - haben wir schon erwähnt, dass Australien das Kinderkriegen ganz offensiv propagiert?) schmiert ganz viele Lunchsandwiches mit entsetzlich viel Margarine.
Ums Essen geht es auch um 8.45 Uhr auf der Strandwiese: Hunderte sind gekommen, um den Pelikanen dabei zuzugucken, aber von denen lässt sich keiner blicken, obwohl die resolute alte Dame, die sich mit ihren Fischstückchen ins Zentrum gestellt hat, fröhlich erklärt, dass erst gestern... Wahrscheinlich erzählt sie das schon seit einem Jahr, und vermutlich glaubt außer den Kindern im Zuschauerkreis sowieso niemand, dass hier jemals auch nur ein Pelikan aufgeschienen ist.
Erfolgreicher ist ein Besuch auf der Papageienzuchtfarm gleich nebenan: Häufige und seltene, hier heimische und eingeschleppte, in jedem Fall aber bunte Vögel sind in Käfigen und in einer Großvoliere respektvoll zu bewundern - respektvoll, denn einen scharfen Schnabel haben ggf. alle. Viele sind hierzulande übrigens weidlich verhasst, haben sie doch einen kräftigen Appetit auf Obst, und das sehen die entsprechenden Farmer gar nicht gerne.
Gleich nebenan, also völlig unaustralisch, wird die Sandstein-Steilküste durch diverse Stichstraßen erschlossen, die zu Aussichtspunkten führen. Bei jedem muss man ein paar hundert Meter laufen, und so kommen wir zu einem zusammengestückelten ausgiebigen Morgenspaziergang.
Danach lassen wir Herbi arbeiten - 150 Kilometer sind es noch bis Geraldton. Die “Großstadt” mit 23.000 Einwohnern wirft ihre Schatten voraus - schon 40 Kilometer vorher beginnt die Besiedelung. Die Stadt selber macht einen freudlosen, wenig florierenden Eindruck; guter Indikator dafür sind die zahlreichen geschlossenen gastlichen Stätten. Einkaufsmäßig haben wir dagegen Erfolg: Das “Knacks-Problem” wird mit einem Stuhl bewältigt, der angeblich 140 Kilo tragen kann - das soll ja wohl für knapp drei Wochen halten. Und mangels Resto erleichtern wir Coles um leckere kalte Hapse im Wert von 20 Dollar. Ganz nebenbei stolpern wir bei der Shopping-Tour auch noch über das Wahrzeichen der Stadt, errichtet 1991: Ein wahrhaft beeindruckendes Mahnmal für HMS Sydney, 1941 mit 645 Mann und einer nicht bekannten Anzahl von Mäusen in Folge eines kriegerischen Begegnung mit der deutschen “Kormoran” abgesoffen. Erinnernswert also, aber alle Orte an der Bataviaküste reißen sich darum, an das Desaster zu erinnern - die haben zu wenig zu tun, die Aussis!
Da Ramses mal ausprobiert, wie es ist, wenn es in WA regnet, stellen wir fest, dass Herbi nicht ganz dicht ist, was vielleicht noch Ärger machen wird, aber auch, dass er eine Heizung hat, was positiv ist und uns einen gemütlichen Abend in ihm ermöglicht.
 
Mittwoch, 4.10.
Nach einer ziemlich kalten Nacht kriegen wir auch noch im übertragenen Sinne eine kalte Dusche, obwohl Ini-Kassandra entsprechend Schlimmes schon geahnt hat: Die Chirurgen haben Donna mehr ausgeräumt, als eigentlich geplant war, aber vermutlich nicht genug; und nun wird ihr wohl die hilflose chemische Ochsentour bis zum baldigen Tode bevorstehen. Neben allem Mitleid gibt es auch verwunderte Fragen: Wenn  Anfang September klar ist, dass frau einen fetten Krebs in der Brust hat, warum setzt man dann in Amiland die OP auf den 28. des Monats fest und nicht auf Morgen? Und rein technisch: Wie macht man dergleichen ambulant?
Wir fahren, anders als alle vernünftigen anderen, die den Platz verlassen, weiter südwärts in die Kälte. Kurz hinter Dongara biegen wir auf den Indian Ocean Drive ein, eine erst kürzlich fertig asphaltierte Straße ganz nah am Meer, die in Cervantes endet. Das Örtchen ist nicht wegen spanischer Dichter berühmt, sondern bekannt als Gateway zu den Pinnacles, der australischen Antwort auf Goblin Valley, aber nicht in der runden, sondern in der spitzen Variante, und geologisch natürlich auch was ganz anderes. Man kann (noch) zwischen den Dingern rumlaufen, wo immer man mag, und dank Kay verlaufen wir uns in dem immer ähnlich aussehenden Gewirr nicht.
Als wir wieder draußen sind, ist es Mittag. Ini ist für Bleiben, in Cervantes oder Julien Bay weiter nördlich, und einen gemütlichen Strandnachmittag. Kay ist für weiterfahren. Also brausen wir weiter, übrigens den ganzen Tag durch ein Wildblumenparadies und durch Gegenden, die, abgesehen von der fremden Flora, sehr europäisch aussehen.
Zuerst treffen wir das Tal des Swan River, das aus lauter Winzereien besteht, und dann auf Perth, das ca. dreißig Kilometer vor Perth anfängt und bis Fremantle nicht mehr aufhört. Dank guter Karten kommen wir erstaunlich zielsicher zu dem einzigen Caravanpark der Gegend, der die Bezeichnung “stadtnah” verdient, und quartieren uns luxuriös mit viel Platz und eigenem Bad ein. Der kostenlose CAT, der Stadtbus, ist von hier aus noch bequem zu Fuß zu erreichen. Wir lassen uns mit dem letzten Vehikel des Tages zum Hafen bringen und finden uns in einer wirklich süßen Kleinstadt wieder, in der einige Gebäude wie das monströse Hotel Esplanade im traditionellen Baustil mit 300 (!) Zimmern allerdings nicht in den “kleinen” Rahmen passen wollen. Hunger haben wir, den Joe’s, eine Hafenkneipe, mit der Meeresfrüchteplatte des Hauses unschwer stillt; und endlich bekommt Kay mal so etwas wie seinen geliebten Hummer, nämlich einen Crayfish. Ein Riesling aus der Gegend ist dazu ein adäquater Begleiter.
Nachts müssen/dürfen wir ziemlich viel kuscheln, denn die Temperaturen werden bei klarer Nacht mit fast vollem Mond einstellig.
 
Donnerstag, 5.10.
Am Morgen lassen wir uns viel Zeit, denn Städte pflegen vor 10 Uhr nicht zum Leben zu erwachen. Mit dem CAT fahren wir zur Bahnstation in Fremantle und von dort mit einer sehr begehrten spottbilligen Commuterbahn nach Perth. Der CDB ist rechteckig angelegt wie in allen größeren australischen Städten, die wir bisher kennengelernt haben, aber weniger schön alt-neu gemischt. Aber vielleicht sind wir nur ein wenig misogyn - Kay hat einen kleinen “Snupfen” und schlägt darob einen Schleichschritt an, der Ini von der ersten Minute an todmüde macht. Wunderschöne Parks gibt es jedenfalls. Wach werden wir wieder bei den Swan Bells, einem futuristischen Turm, in den wir aus einer Laune heraus hineingehen, ohne zu wissen, was uns erwartet. 18 Glocken sind es hauptsächlich, und obwohl sie fast alle aus London von Saint-Martin-in-the-Fields kommen, hat keine gesagt: You owe me three farthings”. Stattdessen haben sich zwei von ihnen sogar von uns läuten lassen, was gar nicht so leicht ist, wie wir festgestellt haben. Außerdem wissen wir jetzt, dass Glocken kopfüber und kopfunter geläutet werden können.
Weniger erfolgreich ist die Suche nach Ersatz für den vergessenen Sweater - ein solches Kleidungsstück existiert hier einfach nicht, und ein Blick auf die hiesigen Klimatabellen lehrt, dass das eigentlich auch vernünftig ist. So bekommt nur Kay eine neue kurze-lange Hose. Wir lassen uns zurück in unsere Kleinstadt bringen, wo wir in der Fressmeile Fleischernes zu uns nehmen, und fahren dann nach Hause, wo wir es uns mit Heizung und den Temperaturen angemessenem Rotwein gemütlich machen. Der Tag heute war übrigens wolkenlos und sonnenwarm, wobei wir vor der hiesigen Sonne einen Heidenrespekt entwickelt haben - so pieksig war der “Planet” im Norden nicht. Die zahlreichen weißen Stellen auf den Armen von Menschen, die etwa so alt sind wie wir, erkennbar Operationsnarben, sprechen auch eine maligne melanomige Sprache.
Rotwein am Abend ist erquickend und labend und kuriert alle Erkältungsanflüge; und außerdem erwischen wir einen Tropfen, der im Bordelais weit oberhalb von Cru bourgeois rangierte...
 
Freitag, 6.10.
Auch heute starten wir gemütlich, obwohl wir Ortsveränderung vorhaben - wir wollen nach Südosten zu den großen Bäumen. Im Süden von Perth bzw. Fremantle hat sich ein großer Teil der australischen Bodenschatzverarbeitungsindustrie angesiedelt, und noch weiter südlich siedelt die zur Agglomeration gehörige Workforce - ein Kaff wie Mandurah, Population ca. 50.000, bringt es mit seiner konsequenten Einfamilienhausbaupolitik ohne Probleme auf eine Fläche, die der Hannovers entsprechen dürfte. Die Wohnviertel heißen übrigens z. B. “Florida” oder “Miami” - gar nicht schlecht gewählt, was Klima und Landschaft angeht.
Nach langen und langsamen Kilometern lassen wir die Vierspurigkeit und zahllose Ampeln hinter uns und sind allmählich wieder in Australien, wie Murkel formuliert. Aber im richtigen Australien sind wir eben doch nicht: Hier ist vieles quietschgrün, die Landschaft sieht britisch aus, die zahlreich annoncierten Tearooms tun atmosphärisch das ihre dazu, und das “Wie-weit-ist-es-bis-zur-nächsten-Kurve-Raten” hat ein vorläufiges Ende: Für 40 Kilometer, zwischen Ballingup und Nannup, fahren wir auf der murkeligsten aller Straßen südlich des Äquators.
Langsam wachsen auch die Bäume höher in den Himmel, und kurz vor Pemberton sehen sie so aus, wie wir uns die Karris schon immer, das heißt seit ein paar Tagen, denn vorher wussten wir nicht, dass es sie gibt, vorgestellt haben. Der “Red Gum”, eine Eukalyptusart, ähnelt den Redwoods, ist aber schlanker. Erstmal verweilen wir aber nicht länger bei den Riesen, die 350 Jahre und älter werden können, also ganz schön schnell wachsen, sondern brausen weiter in die “Großstadt”, weil wir gerade rechtzeitig kommen werden, um Straßenbahn zu fahren: Eine alte Tramway aus Fremantle-Perth verbringt ihre Greisenjahre hier auf einer Touristenstrecke, die gleichzeitig Teil eines Fernwanderwegs ist.
Im Schritttempo wackeln zwei Waggons voran, überwiegend durch Wald, und das Tempo ist gut so, denn der Fahrer erklärt sogar einzelne Blumen. Optisch wie olfaktorisch ist die Fahrt ein Erlebnis - noch nie haben wir einen dichten Wald, und die Karris stehen wirklich dicht, mit so viel blühendem Unterholz gesehen. Der Schienenstrang führt über ein paar Brücken und endet für uns zu Füßen eines 300 Jahre alten beeindruckenden Baumriesen, bevor es wieder rückwärts geht.
Wegen des Bahnabenteuers gibt es über das heutige Etappenziel keine Diskussion: Pemberton. Der hiesige Caravanpark, Heimat vieler grüner bettelnder Papageien, bietet uns ein nettes Randplätzchen, und Kay kommt auf die überraschende Idee, nicht essen zu gehen, sondern zu kochen - sooo gute Spaghetti, gekocht im zu kleinen Topf, wie heute Abend soll uns mal einer nachmachen. Da auch Pemberton selbstverständlich über einen Bottleshop verfügt, haben wir uns mit Ortsweinen eingedeckt und liegen mit einem Merlot und einem Pinot Noir nicht schlecht.
 
Samstag, 7.10.
Wir wollen gar nicht so recht aus dem Bett, denn die hohen Bäume verwehren der Morgensonne den Zugang zu unseren Fenstern, und es riecht draußen nach feuchtem Moder. Aber wat mutt, dat mutt, und die Blase muss bestimmt.
Die Bäume haben uns heute lange Zeit im Griff, ein von Karris dominierter NP reiht sich an den anderen, wird aber von uns mit Ausnahme des Walpole-Nornalup NP schnöde ignoriert. Kay allerdings vermag die hölzernen Begleiter der schmalen Straße nicht nicht zu sehen, weil sie ihn mit ihren Schlagschatten nerven. Und ganz allgemein, stellt Kay fest, sind Wälder langweilig - na klar, ist ja erst=schon der zweite Tag!
Trotzdem biegen wir zuerst auf den süßen Rundkurs vom Knoll Drive und dann auf die Straße zum Valley of the Gods ein - die “Götter” sind dreihundert Jahre alte Karris (schlank) und Red Tingles (dick). Denen kann man zwar nicht auf den Kopf, wohl aber bis in die Baummitte steigen, und zwar mit Hilfe des Treetop-Walks, einer Stahlkonstruktion, die zwischen Plattformen von unten gestützte Hängebrücken führt. So geht mensch leicht schwankend und leider nicht allein, denn hier handelt es sich mitten in der zwar nicht Wildnis, wohl aber Einsamkeit um eine begehrte Touristenattraktion, 600 Meter lang staunend umher. Wir ergänzen den Höhen- noch durch einen Fußbodengang, der von Tingles dominiert wird. Man kann die Monstren offenbar abbrennen,und sie leben trotzdem, und wenn der Stamm am Boden zu 99% weggefressen ist, schaffen sie es immer noch, das ein oder andere Blatt sprießen zu lassen. Der Giftshop schafft übrigens auch unmögliches: Ini findet einen Sweater!
IN Denmark am Wegesrand widerstehen wir allen esoterischen Versuchungen, nicht aber dem Weinkeller, i.e. Bottleshop des Dorfes, der gespickt voll ist mit allem, was die Gegend an vergorenem Rebensaft zu bieten hat. Um etliche Dollars leichter fahren wir gen Albany, wo wir zuerst südlich bleiben und uns die natürlichen Wunder zu Gemüte führen. In den Gneis, der derselbe ist wie in der Antarktis, weil wir an der Stelle sind, wo sich die beiden heutigen Kontinente vor 45 Millionen Jahren getrennt haben, ein Separationsprozess, der noch heute mit fünf Zentimeter pro Jahr fortgesetzt wird, in den Gneis also hat sich das Meer eingefressen und eine Spalte geschaffen - the Gap -, in der es gewaltig gischtet und tost, und gleich nebenan ist eine Natural Bridge.
Albany ist kälter als alles bisherige, der Wind tost, aber wir haben zum Glück einen gepflegten Big 4 und eine Heizung, zwar ist das edle Hotel, in dem wir essen wollen, wegen einer Privatfeier geschlossen, aber es gibt in einem Strandcafé nebenan etwas Warmes zu essen, und zur Nacht prickelt zu Hause ein Tussi.
 
Sonntag, 8.10.
Der Wind pfeift die ganze Nacht lang und lässt uns schlecht schlafen. So mag Kay am Morgen gar nicht aufstehen, während Ini, die merkwürdigerweise von Bischöfin Käsmann und deren Gottesgesandtheit geträumt hat, das Bett (deshalb) gar nicht ungern verlässt. Der Wind oder besser der Sturm wird uns den ganzen Tag lang begleiten, er kommt auf unserer Fahrt ostwärts von vorn, gespickt mit kräftigen Böen, und lässt Herbi deutlich mehr Sprit schlucken als gewöhnlich, während er Kay kräftige Muskeln macht - das Lenken ist heute keineswegs nur lässig.
Gut, dass wir nicht den Weg durch den Weizengürtel gewählt haben - heute, wie auch ab und zu schon vorher, sind wir im Getreideland, das sein Revier mit riesigen Silotürmen markiert, aber auch bei den Schaf- und Rinderzüchtern und nicht zuletzt bei dem Baumfarmern. Insgesamt also in einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegend, in der es zwar kaum Orte gibt, die aber für hiesige Verhältnisse dicht besiedelt ist. Wasser gibt es genügend, im Lauf des Tages gewinnen wir aber den Eindruck, dass es trockener wird. Übrigens Wasser: Heute früh sind wir doch glatt im Regen gestartet und mussten unsere dilettantisch eingesetzte Windschutzscheibe provisorisch mit Ducttape armieren, um nicht wegzuschwimmen.
Wir arbeiten uns knappe 500 Kilometer ostwärts voran und sind gegen vierzehn Uhr am Etappenziel: Esperance. Von der Hoffnung erhoffen wir uns nicht nur Proviant für die kommenden kargen Tage, sondern auch noch eine Verschnaufpause - aber kann man bei der hiesigen Kälte und der zum Heulen bewegten Luft verschnaufen? Wir beschließen dass ja, machen einen Stadtgang, der zeigt, dass Esperance zumindest am Sonntag völlig geschlossen ist, und der Kay wirklich zum Heulen und zu Kopfschmerzen bringt, aber jetzt ist es zu spät, um anderes zu beschließen, denn wir haben uns bereits für zwei Nächte auf dem zentral gelegenen BIG4 einquartiert. Übrigens kann man hier wochentags wirklich (fast) alles einkaufen - die Stadt hat ein riesiges Einzugsgebiet.
Abends genießen wir Heimküche, gekrönt von den Kuchenkünsten des Dorfbäckers und unserem ersten Billykaffee, und danach gehen wir auf besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn endlich mal wieder vor neun Uhr in die Heia. Zum Klima: Das Nachmittagsbier nach der Ankunft war draußen okay, aber nach dem Verschwinden der Sonne ist es in Herbert mit Herberts Klimaanlage am angenehmsten!
 
Montag. 9.10.
Zehn Stunden Schlaf sollten eigentlich ausreichen, um tagsüber nicht mehr zu gähnen, aber es ist uns mit tödlicher Sicherheit gelungen, den vermutlich einzigen  Campground Australiens zu beziehen, neben dem permanent Roadtrains bremsen und, was viel lauter ist, Güterzüge tröten - der hiesige Hafen, 2003 zu “dem” australischen Hafen des Jahres erkoren, ist auch nachts durchaus geschäftig.
Nach dem Frühstück machen wir einen Ausflug “um die Ecke”, was als Tagesbilanz 200 Straßenkilometer ergibt. Der Le Grand NP liegt 50 km östlich von Esperance an der Küste und verdankt seinen Namen zwei Brüderkapitänen, die 1802 hier unterwegs waren, ebenso wie übrigens Mr. Flinders bei seiner Australienumrundung. Dass Briten und Franzosen einander damals mit Kartätschen bedacht haben, haben wir nirgends gelesen - bei dem damaligen parallelen Erforschen der australischen Küste scheint es sich (noch) um reine Neugier gehandelt zu haben.
Le Grands Attraktionen sind  Meeresbuchten mit türkisfarbenem Wasser und blendend weißen Stränden an einer Küste, die aus Sanddünen und vom Wasser rundgeschliffenen Granit- und Gneisfelsen besteht. Auch kann man auf Frenchman’s Peak steigen, einen Fast-Monolithen, der wirklich von einer Seite wie eine Revolutionsmütze aussieht, was wir aber lassen, weil der Wind immer noch eindrucksvoll weht und Regen droht. Wir genießen lieber den Blick am Wegesrand und umrunden Lucky Bay, wo glückliche Känguruhs uns nicht aus dem Weg gehen wollen und wo es zweifellos den feinsten weißen Sand der Welt gibt. Den Picknickplatz kann man wirklich empfehlen!
Am Nachmittag nehmen wir auch noch die westliche Küstenstraße in Augenschein, an der die Reichen und Schönen wohnen, eine wirkliche Corniche, die an zahlreichen Stränden vorbeiführt. Und an der ersten Windfarm Australiens, eingeweiht 2003!
Nach einem Monstereinkauf für die kommenden Wüstentage ist unser Kühlschrank zwar voll, unsere Mägen sind aber leer, und nach etlichen skeptischen Blicken auf das auch heute noch nicht überzeugende kulinarische Angebot von Esperance landen wir schließlich beim Chinesen an der Hauptstraße, zuerst ganz allein, aber dann kommen immer mehr Eingeborene, und die müssen schließlich wissen, wo man gut essen kann, und wir essen auch gut und können gesättigt zurück zu Murkel, der uns noch einen “Barking Dog” spendiert.
 
Dienstag/Mittwoch, 10./11.10
Das große Abenteuer, wie alle (Tourismusmanager) behaupten, die einsame Straße schlechthin gilt es zu bewältigen, Nullarbor, 1200 Kilometer lang - nach Inis Vorstellungen in gemütlichen drei Tagesetappen, aber da sind die Fliegen und die Hitze vor, doch gemach und der Reihe nach.
In Esperance starten wir mit einem gemütlichen Morgenbummel über die alte Jetty, wo diejenigen Menschen, die keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen haben, bereits kräftig für das Mittag- bzw. Abendessen ihrer Lieben sorgen - natürlich mit Angeln. Sogar Abalonen soll man hier aus dem Wasser fischen können!
Danach fahren wir 200 km nordwärts bis zum verschlafenen Städtchen Norseman, benannt nach einem Pferd, das angeblich durch Hufescharren für seinen abgebrannten Reiter Gold freigelegt hat, dafür hat es auch ein Denkmal bekommen. Denkmäler hat man auch den Kamelen spendiert, die hier früher wichtige Transportdienste verrichtet haben. Und damit sind die Highlights von Norseman bereits erwähnt, nein, halt, die Touriinformation hat eine Karte von Nullarbor, der wir bisher vergeblich nachgejagt sind - es kann losgehen!
Welch eine Enttäuschung! Erstens ist die Gegend gespickt von Bäumen, überwiegend Schirmakazien, zweitens ist die angebliche Nullarbor Plain mitnichten eine Ebene, sondern wellt sich erheblich, und ein vielleicht 50 m hoher Höhenzug will hunderte von Kilometern überhaupt nicht aufhören, drittens kann von Einsamkeit keine Rede sein, denn es gibt zwar keine Orte, aber Roadhouses haben Abstände zueinander, die nie geringer als 200 km sind, und viertens ist die Gegend ganz schön zugemüllt - aber zugegeben, es ist schwierig, hier jemanden zu finden, der täglich oder auch nur wöchentlich eine Highwaymile reinigt.
In Balladonia, wo Ini eigentlich den ersten Stop vorgesehen hatte, sind wir mittags um eins, der Busch kocht, und die Fliegen stürzen sich auf alles, was feuchte Haut haben könnte, also auf uns. Die Temperaturen hier unten im Süden richten sich natürlich einerseits nach den Breitengraden, sind aber auch extrem abhängig davon, woher der Wind weht, und jetzt kommt er gerade dank eines kräftigen Hochs im Süden aus dem Norden und bringt Backofenluft mit. Außerdem - attraktiv sind die Roadhauses hier allesamt nicht - sie haben es nicht nötig, sich viel Mühe zu geben.
Wir fahren also weiter, bis sich der Sonnenuntergang ankündigt, und verbringen die Nacht zusammen mit vier oder fünf anderen Partien auf einem riesigen bebaumten Parkplatz, der vor dem Schlafengehen ganz viel Sternenhimmel sehen lässt, incl. Southern Cross, das, objektiv betrachtet, wirklich nicht beeindruckend ist. Die Roadtrains fahren übrigens etwas länger als der gemeine vorsichtige Tourist und starten am nächsten Tag etwas früher, aber niemand braust in der Nacht durch - die eindrucksvolle Beutleransammlung am Straßenrand scheint allein aus der Dämmerung zu resultieren.
Am nächsten späten Vormittag erreichen wir Südaustralien und lassen uns ein wenig versöhnen: Die Straße wird sauber, denn es gibt eine regelmäßig patroullierende “Müllabfuhr”, die Ebene wird eben und tatsächlich baumlos, die - übrigens überall tadellose - Straße nähert sich dem Meer und lädt zu besinnlichem Blicken ein, und schließlich gibt es den “Head of the Bight”, eine kleine Bucht in der großen australischen, in der Glattwale zu überwintern pflegen - hier paaren sie sich und ziehen Kinder auf, bis es wieder zurück geht in die Krillgründe der Antarktis. Mami und Sohn oder Tochter, bestimmt vom hiesigen Tourismusbüro angestellt, posieren für uns direkt vor der Küste, ein Vergnügen, das ungetrübt wäre, wären da nicht die Millionen oder -arden von aggressiven Fliegen und der Wüstenwind, der auch Hitze liebende Menschen in das mit Aircondition versehene Auto flüchten lässt.
Was tun? Zu früh aufhören mit dem Fahren dürfen wir unter den gegebenen Insekten- und Temperaturumständen nicht, nach Einbruch der Dunkelheit dürfen wir nicht mehr auf der Straße sein, noch ein zweites Mal würden wir gerne in aller Ruhe Sterne gucken dürfen... Kay findet spontan einen Kompromiss: Wir logieren uns in Penong ein, 75 km vor dem Ende “der” Straße, mit Dusche und gekühltem Herbi, aber auf einem ganz unprätentiösen Platz, auf dem kaum eine helle Lampe unsere Himmelsguckerei stören wird. Da es immer noch sehr angenehm warm ist, verköstigen wir uns mit Cold Cuts auf Toastbrot - der Toaster wird draußen gleich an unsere Stromsäule angeschlossen.
 
Donnerstag, 12.10.
Wir verlassen unseren Gipsplatz spät, haben wir doch vor, uns nach zwei strammen Fahrtagen zu erholen. Nach Ceduna ist es nicht mehr weit, keine 80 Kilometer, und wir machen da, was alle erst mal machen, nämlich tanken, denn hier gibt es wieder normale Preise. Was viele andere auch machen, trauen wir uns nicht: Die erstehen beutelweise Eis und dazu noch geschlossene Austern; aber immerhin weiß Ini: Hier ist das Paradies. Dann erleichtern wir die Touristeninformation um viel Hochglanzpapier, unter anderem eine hervorragende Broschüre über das hiesige Städtchen, aber nach der Lektüre, die lange Zeit in Anspruch nimmt, während unsere Schmutzwäsche von der städtischen Laundry behandelt wird, beschließen wir, doch nicht zu bleiben.
Stop!
Warum waschen wir auf einmal städtisch, wo hierzulande doch jeder Campground Waschmaschinen und Trockner vorhält? Die Campingplätze sparen Geld, sie behaupten zwar, warme Waschprogramme zu haben, leiten aber trotzdem kaltes Wasser in die Maschinen - und wir haben einen Verdacht, nein, zwei Verdächte (was ist der Plural von Verdacht?), jedenfalls hat Kay große Hautprobleme, und, so sagen wir uns medizinisch versiert, die resultieren entweder aus allergischen Reaktionen auf irgendwas, z. B. neue australische Klamotten, oder sind zu spät erkannte Pilze. Gegen den ersten Grund könnte eine ordentliche Wäsche schon helfen!
Und warum wollen wir nicht bleiben, wo doch die Austern am Straßenrand wachsen? Es stinkt Ini zu sehr. Viele Menschen, die es vermeiden, mit Wasser in Kontakt zu kommen, verbreiten einen unangenehmen Geruch.
Wir fahren gute 100 Kilometer weiter nach Streaky Bay, so benannt von Mr. Flinders, weil das Wasser unterschiedliche Farben aufweist. Die dortige seichte Bucht beherbergt einen Campground und ist Heimat für etliche Pelikane, die davon profitieren, dass die Aussies auch hier ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Angeln, nachgehen. Kay wird gegen Ausschlag ins seichte Salzwasser gesetzt, was die Pellies amüsiert, der Haut aber leider sofort nicht hilft, und abends essen wir im “Mocean” die ersten Abalonen unseres Lebens, die nicht aus der Dose stammen - sie werden hier ebenfalls gezüchtet - und danach gutes Steak und Lamm.
 
Freitag, 13.10.
Wir machen und wieder rüber zum Eyre Highway, nachdem wir kapiert haben, dass Port Lincoln im Süden gerade abgebrannt ist und der Birdseye Highway in der Mitte der Halbinsel auch nur das bietet, was auf der Nordstraße zu finden ist: Landwirtschaft, also 15 Zentimeter hoch stehender Weißen zwischen den Orten, und Silos, 15 und mehr Meter hoch stehend in den seltenen Orten. Die Touristenattraktionen “am Wegesrand”, Granitformationen, lassen wir wg. Herberts mangelnder Geländegängigkeit außer Betracht und machen uns zugig gen Port Augusta - zweimal sind wir schon durchgefahren, einmal vor sechs Jahren, das zweite Mal mit dem Ghan, und jetzt wollen wir mal gucken.
Der BIG4 des Ortes liegt so, dass man zu Fuß ins Zentrum kann, das nett und nett klein ist, aber kein Ort, um am späten Nachmittag ein Bier zu trinken - wir stecken die Nase in das von außen hübscheste Hotel der Stadt, finden aber nur einen freudlosen Ort, an dem sich ausschließlich braunhäutige Menschen aufhalten. Das Stadtzentrum nennt sich stolz CBD, was angeberisch ist, misst das Ganze doch nur 200 mal 400 Meter, ist aber gut erhalten. Wir kaufen einen Zug für morgen und sonst viel Pilzcreme (industrial strengh from Germany - Canesten) und dinieren hervorragend zu Hause.
 
Samstag, 14.10.
Es regnet! Ausgerechnet heute, da wir einen Ausflug vorhaben! Aber weil wir schrecklich viel gegen Nässe und Kälte mit uns schleppen, brauchen wir es natürlich nicht, und der anfänglich graue Himmel wird im Laufe des Tages fast durchgängig blau. Schön für uns, schade für Südaustralien - es ist knochentrocken hier, von Frühlingsgrün keine Spur.
Als wir den neuen Ghan bestiegen haben, waren wir der Meinung, den alten gäbe es längst nicht mehr - weit gefehlt! In bestimmt unendlich mühseliger Kleinarbeit haben Liebhaber hier und in dem 40 Kilometer entfernten Städtchen Quorn eine alte Lok und ein paar Waggons der 30er Jahre wieder zum Leben erweckt, so dass (fast) jeden Samstag das Museumsbähnchen in einer holterdipolterischen Fahrt in die Flinders fährt, wobei mindestens so viele Fans an der Straße stehen, wie Passagiere in den heute vier Wagen sitzen. Wir kommen in der gut gepolsterten Lederklasse unter - der Salonwagen, der auch mitrattert, ist leider von einer Gruppe okkupiert.
Quorn ist winzig klein und hat, wenn wir richtig gezählt haben, fünf Hotels - die Kneipen dürften auch dann noch nicht voll sein, wenn alle Einwohner sich darin einfinden. Die gastlichen  Stätten erinnern an Quorns große Zeit, vor allem während des Zweiten Weltkriegs, als hier bis zu 43 Züge täglich durch- und abfuhren; und dann müssen sie ins Koma gefallen sein, bis der wieder einsetzende Zugtourismus sie zu einem bescheidenen Leben erweckte. Auch wir tragen zur Unterstützung der lokalen Ökonomie durch den Verzehr von einigen Bieren und zwei Countermeals bei - gar keinen schlechten übrigens. Warum sind eigentlich deutsche Schlachter noch nicht auf die Idee gekommen, dass man Koteletts so schneiden kann, dass die Schwarte dranbleibt?
Zurück geht es, wer hätte das gedacht, auf demselben Wege wie hin, wobei der kleine Zug zeigen muss, dass er Bremsen hat - der Höhenunterschied zwischen dem Pichi Richi Pass, nach dem die Linie heute benannt ist, und Port Augusta beträgt 1332 Füße, und Quorn liegt fast so hoch wie der Pass. Auf dem Rückweg zum Campingplatz kaufen wir ein bisschen zu essen ein und genießen die letzten Sonnenstrahlen auf unserem Betonplateau, bevor der kalte Abendwind uns in Herbert treibt. Kay versucht noch vergeblich, Ilse nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren - die “Alten”, wie Lisa zu formulieren beliebt, wollen sich von den Kindern ein paar Tage lang in St. Peter-Ording erholen. Also bleibt ihm vor dem Zu-Bett-Gehen nur noch, unsere verpilzte (Bett-)wäsche einer endlich mal heißen Reinigungsbehandlung zu unterziehen.
 
Sonntag, 15.10.
Del: Viel zu früh sind wir heute aufgestanden, obwohl der Wecker nicht geklingelt hat.
Kulle: Das war gut, so konnte der Philosoph morgens lange nachdenken.
Murkel: Die beiden Menschen stapften durch einen schrecklich kalten, ariden Wüstengarten. Der war auch deswegen so kalt, weil Ini alle drei Sekunden eine Blume fotografieren musste, und dann noch unscharf.
Na: Superschön war es da, frisch und lind, nur unser Oberpilz hat rumgenölt.
Nuk: Wir wären ja gerne länger geblieben, aber besagter Oberpilz wollte tanken und weiterfahren.
Ramses: Das Wetter war so, wie in Ramses’ 90-Tage-Plan vorhergesehen, also eigentlich sehr schön für die Jahreszeit.
Tratschwurm: Herbert hat uns über einen Pass getratscht, der noch höher war als der gestern, und danach waren wir auf der anderen Seite der Flinders-Range und sind dort nach Süden gefahren, durch ehemaligen Wald und jetzigen Weizen, der aber tiefergelegt ist, nämlich höchstens 20 cm hoch.
Murkel: Du hast vergessen zu sagen, dass die Straßen richtig murkelig waren und die Landschaft paschtoralsch!
Del: Der Weizen wurde allmählich zu Wein, was kein Wunder ist, sondern Ergebnis der hiesigen Agrikultur.
Kulle: Die Agrikultur, also die neolithische Revolution, ist übrigens so etwas wie ein Wunder.
Murkel: Ja, ja, schon recht. Zurück zum Thema: Weil die Menschen müde und pilzig sind, sind sie heute nicht weit gefahren, sondern haben sich in Clare auf dem Camping eingenistet.
Na: Danach sind sie aber noch in den Ort gegangen, obwohl sie schlaff und müde waren.
Nuk: Menschen sind eben immer neugierig, kleine Na. Das weiß ich als Erstgeborene ganz sicher.
Ramses: Hauptsächlich sind sie gegangen, weil so schönes Wetter war. Der Ort war übrigens weitgehend sonntagstot, und so kamen sie bald zurück.
Tratschwurm: Sie tranken Bier und Wein, aßen Nüsse, Salat, Pickles, Wurst, Käse und Brot und tratschten sich dann recht bald in die Heia.
Ini: Das kommt dabei raus, wenn die Plüschtiere Tagebuch schreiben!
 
Montag. 16.10.
Wir fahren weiterhin über kleine Murkelstraßen, die jetzt erst recht gesäumt sind von Weinereien, denn wir fahren südwärts durch das Herz des Clare Valley, und das haut mit seinen Angeberschildern mindestens so auf die Kacke wie die berühmtesten Weingüter in der Bourgogne. Aber gut ist der hiesige Stoff auch, alles was recht ist!
Über die nördlichen Adelaide Hills krabbeln wir rüber zum Murray River, den wir in Nannum treffen, wo eine Schaufelraddampfer-Flotte zu Hause ist. Man erinnert sich gerade mit einer Ausstellung an eine Flut vor 50 Jahren, die das gesamte Tal unter Wasser gesetzt hat - sieht recht dramatisch aus, aber andererseits: Wie viele Ausstellungen müssten die Menschen an Elbe und Rhein organisieren, um die “Jahrhundertfluten” der letzten fünf Jahrzehnte zu dokumentieren?
Eine kostenlose Fähre setzt uns über den mächtigen Fluss, so dass wir Murray Bridge links oder rechts liegen lassen können - wir sind schon auf der richtigen Seite. Noch ein paar Kilometer sind es bis Tailem Bend, und dann beginnt Neuland: Zurück nach Melbourne wird uns der Princes Highway bringen.
Den Murray werden wir so aber noch lange nicht los: Erst formt er, statt sich kühn in den Südlichen Ozean zu stürzen, den riesigen Lake Alexandrine, und dann gönnt er seinen Wassern noch den 140 Kilometer langen Coorong. Das  ist ein Brackwassersee, manchmal nur vier Kilometer breit, den viele Zugvögel zum Paradies erkoren haben, und deshalb haben die Menschen hier ihn zum Nationalpark gemacht. Schön ist es ja mit den Piepmätzen, aber der Coorong sondert einen recht strengen Geruch ab, um es deutlich zu machen, er stinkt bestialisch, fast ebenso wie unser “graues Wasser”, das überwiegend ganz schlechtes Zeug aus Streaky Bay ist. Nein, hier ist unseres Bleibens nur für ein zügiges Durchfahren!
Kingston, nicht Jamaica, sondern S.E., was schlicht Südost heißt, hat nicht nur bessere Luft direkt am Meer, sondern einen wunderschönen Campingplatz ebenda neben dem “antiken” Leuchtturm. In der Hoffnung auf Crayfisch sind wir gekommen, aber dafür ist es noch zu früh im Monat; hier beginnt die Saison aus uns unerfindlichen Gründen nicht erst im November. Trotzdem muss Kay nicht leiden: Das einzige und trotzdem ziemlich tote Restaurant des Ortes wartet mit zartem Whiting, dem Starfisch der Gegend, auf, und  zum Sattwerden hat Ini noch viel zartes Steak übriggelassen. Dazu gibt es Weißwein, der natürlich auch hier vor der Haustür wächst, nämlich am Cape Jaffa.
 
Dienstag, 17.10.
Cape Jaffa gucken wir uns heute Morgen als erstes an. 1989, sagt der Ortsprospekt, hat man hier den ersten Weinstock gepflanzt, und jetzt “beweint” man mehr als 370 Hektar. Nach allem, was wir in den letzten Wochen gesehen haben, erscheint uns das als symptomatisch: Der Weinbau explodiert, und 22 Millionen Australier können das nicht alles trinken, die Asiaten vertragen das Zeug entweder nicht, dürfen es aus religiösen Gründen nicht konsumieren oder können es sich nicht leisten, also drückt der Export auf den europäischen und amerikanischen Markt - und die hiesigen Crus sind allemal besser als die aus Napa Valley, aber oft auch besser als italienische, spanische oder französische Spitzengewächse.
Das Örtchen selbst ist ein noch arbeitender Fischereihafen, touristisch nicht aufgemiezt, wohl aber mit einer Telefonzelle ausgestattet - und damit beginnt eins der heutigen Abenteuer. Kay hat zu Recht beschlossen, dass wir uns allmählich mal bei der Melbourner Schiffsagentur melden sollten, deren Adresse, Telefonnummer und Email-Adresse Pfeiffers uns gegeben haben. Aber:
Kein Anschluss unter dieser Nummer! Das kann daran liegen, dass wir es immer mit der Vorwahl von Victoria versucht haben, beschließen wir, als wir weiterfahren. Im nächsten Ort wird alles besser!
Der nächste Ort heißt Robe, hat mehrere Telefonzellen und gibt uns die gleiche Auskunft: Die Nummer gibt es nicht, und die Telefonauskunft verrät Kay auch, dass eine Firma des uns mitgeteilten Namens im Telefonbuch nicht gelistet ist. Schöne Bescherung! Glücklicherweise hat Robe nicht nur Telefone, sondern auch eine Touristeninformation, und in der gibt es - danke, Tussi, für deine Wunder! - einen öffentlichen Internetzugang. Wir mailen also nach Wuppertal und auch nach Melbourne - vielleicht haben die Jungs ja noch ihren elektronischen Briefkasten - um Hilfe und erleichtern einen von mehreren Bottleshops des Ortes zum Dank um ein paar Flaschen - schließlich ist heute unser Hochzeitstag!
Weiter südlich an der Küste gibt es das süße Städtchen Beachport, das mit seinem Scenic Drive unter anderem am Pool of Siloam vorbeikommt, einem See, der sieben Mal so salzig sein soll wie der Meer. Kay zieht es dort hinein, und er harrt bei klirrender Kälte - na ja, bei so etwa 20°C - fast eine halbe Stunde lang aus, bis ihm die kranke Haut abfällt.
Heute wollen wir nur noch bis Mount Gambier, und das ist gut so, denn irgendwie kriegt Ini einen Schnellkrankheitsanfall und ist so entsetzlich schlaff, dass wir nicht einmal dazu kommen, uns die örtlichen wunderschönen Kraterseen genauer anzugucken. Dabei liegt unser Campingplatz direkt daneben!
 
 
Südwesten - Nullarbor
Dienstag, 17. Oktober 2006