Bahntage
 
Dienstag, 19.6.
Heute müssen wir früh aufstehen, denn heute ist der große Eisenbahntag. Kay hat gestern Abend noch Karten für den Bernina-Express gekauft, und so steigen wir heute früh um halb neun in einen von sechs Panoramawagen, der uns dreien – Del begleitet uns – eine wirklich tolle Sicht in fast alle Richtungen erlaubt. Von Davos aus gleiten wir durch die wildromantische Zügenschlucht durch sieben Tunnel und sechs Brücken hinab ins 400m tiefer gelegene Filisur. Nun ist der Zug in die Albulastrecke eingebogen und muss  schnell „Höhe“ machen. Eine verwirrend geniale Streckenführung ermöglich es, praktisch „auf der Stelle“ emporzukrabbeln zu den Dörfern Bergün und Preda, die wir uns morgen noch genauer anschauen wollen.
Ab Preda geht es in den finsteren Albula-Tunnel (lang und hoch gelegen, s.o.) Wir haben so etwas Zeit, uns vom Fotografieren und Gucken zu erholen, bevor wir Samedan erreichen, wo unsere Wechselstromlok durch zwei Gleichstromtriebwagen ersetzt wird, die unseren Zug erst auf 2253 Meter emporschrauben, um ihn dann fast abstürzen zu lassen. In nur 22 Kilometer Luftlinie verlieren wir mit Serpentinen, Kehrtunneln und einem Kreisviadukt 1800 Meter Höhe und landen in einem sehr heißen Italien. Wir haben uns fast die Augen ausgeguckt und die Finger wundgefilmt bzw. fotografiert. Nach einem Mittagssandwich und einem flotten Stadtbummel durch Tirano geht es dann – wie „langweilig“ – die selbe Strecke wieder zurück. Nach zehn Stunden sind wir ganz erschossen wieder zu Hause - Ini hat 157 Fotos gemacht, von denen wohl einige übrigbleiben dürften (die gibt es hier), und ihr Portemonnaie nicht verloren, Kay hat viel gefilmt. Fazit: Diese Schweizer Bahnlinie ist wirklich vom Feinsten, sowohl aufgrund der in ihr steckenden technischen Ingeniosität, als auch wegen der Landschaft; Piz Bernina und Co. mit ihren Gletschern sind schon sensationell schön.
 
Mittwoch, 20.6.
Ganz so früh wie gestern müssen wir heute nicht aufstehen, aber Ini drängelt ein bisschen, sind doch für den Nachmittag Gewitter angesagt, von denen wir uns unterwegs nicht erwischen lassen wollen. Es passiert uns aber nichts, außer dass wir die Movie-Camera erst im zweiten Anlauf mitnehmen. Unter Murkels Anleitung bringt Herbi uns nach Preda, wozu er zu unserer Verblüffung mehr Zeit braucht als der Zug, der sich gestern doch wahrlich nicht beeilt hat und so manchen Gegenzug gemütlich passieren ließ.
In Preda sind wir nicht allein: Der Eisenbahn-Informations-Spaziergang hinunter nach Bergün lockt viele, und davon ist ungefähr die Hälfte so verrückt wie wir und findet es interessant, kleine rote Züge dabei zu beobachten, zu fotografieren und zu filmen, wie sie über Viadukte fahren, aus Tunneln hervorschießen und in dunklen Berglöchern verschwinden. Wir lassen uns auf dem Weg, der gute 400 Höhenmeter hinunterführt, viel Zeit, und warten auch mal nach dem Konsultieren des Fahrplans, bis an einer besonders malerischen Stelle eine Bahn auftaucht, So dauert es seine Zeit, bis wir Bergün erreichen, aber für das Museum ist es immer noch zu früh. Das Modell aller wagemutigen Ingenieurskunst wird ohne uns weiterleben müssen. Wir hüpfen nach einem Blick auf den süßen Ort in den Zug, der uns nach Preda zurückbringt, und gönnen uns bei Filisur zur Krönung des Tages noch einen besonders schönen Anblick: Das Landwasser-Viadukt an der Strecke nach Chur verdient es wirklich, das Logo der Rhätischen Bahn zu sein. (Hier gibt es weitere Fotos)
Zu Hause im „niedrigen“ Davos zeigen die Thermometer dreißig Grad an. Kumuli sind aufgezogen und werden allmählich dicker, aber noch ist von den angedrohten (UN)Gewittern nichts zu spüren. So trinken wir zur Belohnung auf der Trasse ein Beugelbuddelbier aus Monstein und steigen dann in unsere schöne Badewannendusche.
Eigentlich war unsere Intention, uns für ein aushäusiges Dinner aufzuschicken, aber als es Zeit wäre, uns aufzumachen, stellen wir fest, dass wir beide mit ein paar Cold Cuts durchaus zufrieden sind. Nun ja - die kalten Schnitte bestehen zum größten Teil aus warmen Schweizer Würstchen mit harter Pelle, und dazu gibt es Salat und danach ein Mango-Dessert. Aber das reicht uns völlig, und besonders zufrieden ist Ini: Sie hat stundenlang Zeit, ihre angehäufte Bilderflut einzudämmen.
 
 
Donnerstag, 21. Juni 2007